Lenggries:Offen für neue Wege

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Elisabeth Bocksberger hilft beim Frühstückmachen. Ihr Chef in der Hotelküche ist Manuel Schindler. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Elisabeth Bocksberger arbeitet sonst in der Küche der Oberlandwerkstätten. Nun hat sie für ein Praktikum ins Hotel gewechselt. Die junge Frau hat eine geistige Behinderung

Von Petra Schneider, Lenggries

Seit ein paar Tagen hat Elisabeth Bocksberger eine Praktikumsstelle im Arabella Brauneck Hotel. Die 20-Jährige wohnt ganz in der Nähe und kann zu Fuß zur Arbeit gehen. Um neun Uhr fängt ihr Dienst im Frühstücksteam an. Heute hat sie geholfen, den Obstsalat für das Buffet zu machen und Etiketten auf die hausgemachten Marmeladen zu kleben. "Das ist eine Heidenarbeit, und da muss man schon genau arbeiten", sagt Hotelchef Christoph Seitz. Seine neue Praktikantin hat es gut gemacht, auch Küchenchef Manuel Schindler ist zufrieden.

"Elisabeth ist sehr engagiert, freundlich und hilfsbereit", lobt Schindler. Und vor allem pünktlich, "das ist nicht immer selbstverständlich." Für die junge Frau selbst ist es nicht selbstverständlich, dass sie nun nicht mehr in der Küche der Oberlandwerkstätten in Gaißach arbeitet, sondern im Arabella Hotel. Sie hat eine geistige Behinderung, und man muss ihr Aufgaben öfter zeigen und erklären. "Es gefällt mir ganz gut", sagt sie und lächelt ein bisschen scheu. Auch Neues habe sie hier schon gelernt: Wie man Frühstückskekse backt.

Wenn Mitarbeiter den geschützten Bereich der Oberland Werkstätten verlassen und eine Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden wollen, dann kommen sie zu Thomas Weigmann. Er ist in Gaißach der Ansprechpartner für "Außenorientierung", kennt die Fähigkeiten der Mitarbeiter und weiß, wo sie gerne arbeiten würden. Elisabeth Bocksberger, die die Förderschule in Bad Tölz besucht hat, war in der Großküche in Gaißach beschäftigt. Täglich werden dort über 450 Essen zubereitet, die auch an externe Kunden geliefert werden. Weigmann fragte beim Arabella Hotel an und fand offene Ohren.

"Ich finde es eine gute Idee, die unterstützenswert ist", sagt Hotelchef Seitz. Man habe nicht lange überlegt, zumal es gute Kontakte zu den Oberland Werkstätten gebe, in deren Wäscherei die Spezialwäsche des Hotels gereinigt werde. Im Juli und August sei Hochsaison, sagt Seitz, 150 Gäste müssten versorgt werden. "Da ist man dankbar, wenn man Unterstützung hat".

Nach zwei Tagen Probearbeit im Juni macht Elisabeth Bocksberger nun ein zweiwöchiges Praktikum. "Dann schauen wir uns an, wie das weitergeht", sagt der Hotel-Chef. Idealerweise mündet das Praktikum in einen Außenarbeitsplatz. Bei diesem Modell zahlt der Betrieb, ähnlich wie bei der Leiharbeit, die erbrachte Dienstleistung an die Oberland Werkstätten. Diese betreuen, versichern und bezahlen ihre Schützlinge weiterhin.

Die bisherigen Erfahrungen in den vier Oberland Werkstätten in Gaißach, Polling, Geretsried und Miesbach seien gut, wie Werkstätten-Leiterin Carolin König sagt. Insgesamt 75 Menschen mit Behinderungen arbeiten an Außenarbeitsplätzen, davon 55 in Arbeitsgruppen, etwa bei Roche in Penzberg. Von den Gaißacher Oberland Werkstätten sind es sieben. Sie sind bei externen Arbeitgebern in Küchen, Wäschereien, Altenheimen, als Hausmeister, bei städtischen Betriebshöfen oder Stadtwerken beschäftigt.

Es dauere länger, bis Menschen mit geistiger Behinderung Arbeitsabläufe "automatisiert" hätten, sagt Weigmann. "Aber dann funktioniert das gut." Falls es Schwierigkeiten gibt, kann ein Außenarbeitsplatz unkompliziert aufgehoben werden. "Das kommt aber nicht oft vor", betont Weigmann.

Weil die Mitarbeiter in der Regel keinen Führerschein haben, sei ein wohnortnaher oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbarer Arbeitsplatz wichtig. Über die Bereitschaft der lokalen Betriebe, behinderte Menschen einzustellen, äußert sich Weigmann verhalten: Praktikumsstellen zu finden sei nicht das Problem. Schwieriger werde es bei den Außenarbeitsplätzen, für die es sogar Fördermittel gebe. Da wünsche er sich mehr Offenheit bei den Arbeitgebern. Denn beide Seiten könnten profitieren: Betriebe durch die hohe Motivation der behinderten Mitarbeiter, die durch ihre oft direkte Art für mehr Offenheit sorgten. Und diese, weil ein Außenarbeitsplatz Selbstbewusstsein bringe und mehr Teilhabe an der Gesellschaft bedeute.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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