Kabarett:Im Versöhnungskoller

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Sigi Zimmerschied wundert sich in seinem neuen Programm "Tendenz steigend" über die katholische Kirche, lesbische Verwandte, syrische Flüchtlinge und Islamisten

Von Barbara Briessmann, Lenggries

Alles anders und doch altbewährt: Sigi Zimmerschied ist am Freitag im vollbesetzten KKK in Lenggries aufgetreten, mit der Vorpremiere seines neuen Programms "Tendenz steigend". Schon in der Pause wird diskutiert. "So habe ich ihn noch nicht erlebt", sagt ein Besucher, der bereits seit 30 Jahren eingefleischter Zimmerschied-Anhänger ist. "Das kommt alles so locker daher, so lieb", meint er. Anders als sonst und gerade deswegen "noch böser".

"Dass das so leicht klingt und das von mir, das erwartet man ja nicht", thematisiert der Kabarettist selbst seine neuen Töne zu Beginn seines Programms, das mit der "Liebeserklärung an einen Fluss" beginnt. Der Inn fließt sozusagen durch den Abend. Der "Pegel Passau Inn" spiegelt die Gemütslage von Zimmerschied wider. "Fallend bis gleichbleibend" ist er zunächst - bis er steigt. Und so ist der Kabarettist "wieder der Depp mit seiner Harmoniebereitschaft". Er behauptet: "Ich hab' sogar meine Feindbilder satt", kurzum er sei im "Versöhnungskoller".

Nicht einmal mehr die katholische Kirche will ihm mehr eine Steilvorlage liefern. "Der liebreizende Weihbischof" von Passau lebe in einer WG mit einem Mitbruder, einer jungen Nonne und einer älteren Klosterschwester. "Das ist doch Kuba", ruft Zimmerschied aus - "Scheiße gelaufen für einen Kabarettisten".

Selbst in der eigenen Verwandtschaft Harmonie pur. Die Angelika und "der Gabi" leben ihr Lesbenglück mit Straßenhund Caligula aus Rumänien und dem Sohn Nelson Elton Maria. In dem Namen steckten "Freiheitskampf, Candle in the Wind und die katholische Kirche". Was soll aus so einem Kind mal werden? Die versöhnliche Antwort: "Den Tarzan haben die Affen aufgezogen und der ist auch was geworden."

Noch zwei Vorpremieren spielt Sigi Zimmerschied, dann kommt die eigentliche Premiere in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. (Foto: Manfred Neubauer)

So geht es in freundlichem Ton dahin. Auch die Flüchtlinge seien willkommen, der nigerianische Christ sowieso, der schwule Russe auch und der Österreicher "ist ja eh schon da". Selbst der Syrer, über den sich der Zimmerschied nur wundert: "Daheim schreit er Hunger, Folter, Durst. Und kaum ist er da, macht er einen Hungerstreik."

Langsam, aber heftig steigt der Pegel des Inn, und dem Kabarettisten schwillt der Kamm. Getreu dem Motto: "Am weitesten geht man zurück, wenn man Anlauf nimmt." Und wie der Inn beim Hochwasser alles mitreißt, so reißt auch Zimmerschied alle Schranken ein. Die Bischofs-WG wird zur "schlagenden Verbindung", die "Retorten-Glasl-Mama" wird verunglimpft, der deutsche Islamist, ein Nerd, der Freunde nur auf Facebook hat, aber sonst keine Menschen kennt, will "die Frauen zuhängen, damit sie ihn nicht mehr auslachen können". Und dann noch die ganzen Leute, die ohne Apps den Weg durchs Leben nicht mehr finden.

"Dreckig" sei das vom Kabarettisten, "Hauptsache Pointe". Dürfe er sich das immer wieder vornehmen und "spotten, spotten, spotten"? Dann sinkt der Pegel wieder, Zimmerschied wird versöhnlich. Ja, er werde die Verwandtschaft an Weihnachten doch wieder einladen, und eigentlich sei es doch schön, wenn der Weihbischof strahlt. Doch sollte niemand vergessen: "Hinter jedem Grinsen steckt ein Gebiss." Zähne zeigt Sigi Zimmerschied in "Tendenz steigend". Noch zwei Vorpremieren spielt er, am 10. Februar ist dann Premiere in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Er ist zuversichtlich und sagt: "Das Programm ist jetzt rund und passt so."

© SZ vom 02.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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