Elf Meter hohe Bilder an Brückenpfeilern:Ganz große Kunst

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Protagonisten eines zeitgenössischen Heimatromans: Der Wilderer, die Jägerin und der Senner (von links) wurden von Sascha Jahn groß in Szene gesetzt. (Foto: Manfred Neubauer)

Von wegen: gute, alte Heimat. Der Berliner Streetart-Künstler Sascha Jahn deutet am Sylvensteinspeicher Ludwig Ganghofers "Jäger von Fall" um - in eine Installation von der "Jägerin von Fall"

Von Stephanie Schwaderer, Lenggries

Normalerweise ist es die grandiose Landschaft, die das Auge am Sylvensteinspeicher in ihren Bann zieht. Nun hat die Natur zeitweilig Konkurrenz bekommen - durch den Urban Art-Künstler Sascha Jahn aus Berlin und drei imposante Fotografien. Da prangen zum einen zwei Männer in Hemd und Krawatte auf den 13 Meter hohen Betonpfeilern, die Köpfe haben sie abgewandt. Ganz anders die Pelzträgerin in der Mitte: Unter ihrem blauem Federhütchen blickt sie dem Betrachter über die Schulter mitten ins Gesicht. "Die Jägerin von Fall" hat Jahn diese Installation betitelt, die er als "neckisch-trashige" Weiterentwicklung von Ludwig Ganghofers Geschichte "Der Jäger von Fall" verstanden wissen will.

"Die gute, alte, heile Welt, die in den Heimatfilmen der 50er und 60er Jahre beschworen wurde, hat es nie gegeben", sagt der 28-Jährige. Zugleich werde bis heute die Frau in unserer Gesellschaft dem Mann untergeordnet und dürfe "nicht stark und nicht authentisch" sein. Deshalb habe er in dieser Arbeit die Geschlechterrollen vertauscht: Die Jägerin - Jahn hat sie "nach dem Modell russische Großfürstin" inszeniert - soll seinen Worten nach ausdrücken: "Leck mich! Ich weiß, wer ich bin." Der Mann mit den Hosenträgern verkörpert für ihn den Wilderer, "so wie er heute aussehen würde". Und den Kollegen im Vordergrund betrachtet er als zeitgemäße männliche Variante von Ganghofers Sennerin Marei. In der Hand hält Jahns Senner nicht etwa einen Wischmopp, sondern einen Stab, wie er im Erzbistum Salzburg beim Almabtrieb verwendet wird. Als Herausforderung erwies sich am Sylvenstein die Montage bei nasskalter Witterung. Der Senner etwa misst 11,5 Meter und besteht aus 40 Fotofolien à 1,5 Quadratmetern, die teilweise vorzeitig verklebten oder an den Pfeilern Falten warfen. Mittlerweile sitzt alles perfekt - für exakt 14 Tage. Dann wird die Installation wieder entfernt und besteht fortan nur noch in Form von Fotos, die Jahn vermarkten will.

Vor etwa einem Jahr hatte er in Dassow in Nordwestmecklenburg seine bislang größte Arbeit präsentiert: das knapp 120 Quadratmeter große Bild eines glatzköpfigen Manns im Anzug mit einem Staubwedel in der Hand.

Dass es ihn nun erstmals in die Natur verschlagen hat, hat einen einfachen Grund: "Meine erste Liebe stammte aus Bad Tölz", sagt er. Das hätte wohl auch Ludwig Ganghofer gefallen.

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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