Serie "Wirtschaftswunder":Ein Platz für alle Lebenslagen

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Im Lenggrieser "Bunker", der eigentlich Dorfschänke heißt, haben Stammgäste genauso viel Spaß wie Urlauber. "Es werden Witze erzählt und Geschäfte ausgemacht", sagt Wirtin Elisabeth Adlwart

Von Irmgard Grasmüller, Lenggries

Der "Bunker" birgt viele Geschichten. Auch die Wirtin, die "Bunker-Lisi", hat manches zu erzählen. Eigentlich heißt sie Elisabeth Adlwarth, aber in Lenggries kennt man sie nur als Bunker-Lisi. Inzwischen ist sie 33 Jahre alt. Übernommen hat sie den Bunker mit nur 22 Jahren. "Das war am Anfang schon eine Herausforderung", gibt sie zu. Sie hat es ihrem Vater zu verdanken, dass sie Wirtin wurde. Der Vorpächter hatte ihm damals die Wirtschaft zur Übernahme angeboten. Er aber lehnte ab und entschied: "Für mi is des nix, aber für meine Tochter!" Heute ist sie froh über das damalige Regiment ihres Vaters. "Ich hätte die Entscheidung und Verantwortung am Anfang nicht alleine übernehmen können."

Die Eltern, selbst Besitzer des Jaudenstadls in Lenggries-Wegscheid, halfen ihr in der ersten Zeit beim Einkauf und dem allgemeinen Management. Hilfreich war freilich auch, dass sie schon die Wirteprüfung der Industrie- und Handelskammer München absolviert und seit ihrem 15. Lebensjahr im elterlichen Betrieb bedient hatte. So wusste sie, wie man mit Leuten und deren Kommentaren umzugehen hat. Heute gehört der Bunker zu ihr und sie zum Bunker, was natürlich auch daran liegt, dass sie selbst häufig bedient, manchmal auch kocht oder grillt und so viel Kontakt zu ihren Gästen hat.

Gegrillt wird täglich, hier legt Wirtin Elisabeth Adlwart, genannt "Bunker-Lisi", selbst Hand an. (Foto: Manfred Neubauer)

Eigentlich heißt das urige Wirtshaus direkt neben der Kirche ja "Dorfschänke". Aber jeder nennt die Traditionsgaststätte mit Biergarten nur Bunker. Warum, das weiß keiner so genau. Es gibt viele Geschichten darum. Die einen sagen, weil früher, als es noch keine elektrische Kühlung gab, im Keller das Eis gebunkert wurde. Andere behaupten, die deutschen Wehrmachts-Offiziere seien dort gern eingekehrt und hätten sich im Keller versteckt, wenn die amerikanischen Soldaten zur Tür hereinkamen und sie suchten. Später, bei der Rückkehr in der Kaserne, hätten sie dann behauptet, sie seien im "Bunker" gewesen. Das sind die ernsten Geschichten über das Wirtshaus. Aber die netten Anekdoten überwiegen.

Der Bunker ist eine wunderbare Mischung von allem. Hier fühlen sich sowohl Tagesausflügler und Urlaubsgäste als auch Einheimische und Stammtischler wohl. Die sagen gern mal: "Der Arzt hat mir gesagt, ich solle die Wirtschaft nicht von innen und die Kirche von außen sehen. Sondern genau umgekehrt." Aber hier ist die Kirche tatsächlich mit der Wirtschaft verbunden. Viele geistliche Andachten finden im Bunker ihre Nachbesprechung. Und für manche führt der Heimweg von der Abendmesse oder dem Rosenkranz an der Bachmairgasse 3 vorbei.

Auch das macht das Flair der Wirtschaft aus: Erinnerungen an Zusammenkünfte und frühere Zeiten. (Foto: Manfred Neubauer)

Ganz offiziell geht es Allerheiligen und Fronleichnam aus der Kirche direkt zum Bunker. Da ist das Lokal wegen Überfüllung tatsächlich nur für die Ortsansässigen im Rahmen einer "geschlossenen Gesellschaft" geöffnet. Das gleiche gilt auch für den 1. Mai. Alle zwei Jahre wird hier von den Stammtischlern ein Maibaum aufgestellt. Sie organisieren selbst in mehreren Vorabsitzungen und Nachbesprechungen, wer den Maibaum stiftet, welche Fichte sich eignet, wer ihn fällt. Das Girlanden- und Kranzbinden übernehmen mehrere Frauen, so dass auch sie einmal Gelegenheit haben zusammenzukommen. Beim Aufstellen sind dann an die 50 Männer beschäftigt, die den Baum mit Stangen und Muskelkraft in die Senkrechte treiben. Damit das auf jeden Fall allen Spaß macht, gibt es Freigetränke und Brotzeiten für alle Beteiligten, die sich auf mehrere Spender verteilen. Unter anderem wird der Spaß mit "Stifterbäume" finanziert. Das sind Bäume, die wegen Windwurf oder aus sonstigen Gründen gefällt werden. Sie werden vom örtlichen Sägewerk oder Baumfahrer abgekauft, der Ertrag fließt in die Maibaumkasse.

"Es helfen viele zusammen!", sagt die Bunker-Lisi, und das mache das Wirtshausleben lebendig. "Die Hilfsbereitschaft der Stammtischler ist groß. Da liefert mir einer Holz, der andere Daxen, andere helfen beim Tischaufstellen." Im Gegenzug genießt jeder Stammtischler Kreditwürdigkeit, die sich an den diversen Getränke-Strichen auf dem Bierfilzl festhalten lässt. Der Stammtisch lebt, aber nicht nur von den örtlichen Handwerkern. Auch der Gemeinderat mit Politikern aller Couleur findet sich hier oft montags für ein geselliges Beisammensein ein.

Insgesamt kommt es im Bunker oft zu einer großen Gaudi, zu Späßen und spontanen Festen, die ihren Charme in der Spontaneität haben. "Da fallen Leute vom Stuhl, wenn sie zu engagiert erzählen", sagt die Bunker-Lisi, "es werden Witze erzählt, Geschäfte ausgemacht und alle Lebenssituationen durchdiskutiert."

Auswärtige fühlen diese lockere, amüsante Stimmung. Sie schätzen den Bunker wegen seiner Ursprünglichkeit, Authentizität und echten Stimmung. "Manchmal buchen einige im September ihre Unterkunft für den Winterurlaub. Und anschließend rufen sie gleich bei uns an, um für jeden Abend einen Tisch zu bestellen", sagt die Lerler-Lis (Elisabeth Sanktjohanser), die zweite Bedienung im Bunker. Im Winter, insbesondere in den Weihnachts- und Faschingsferien, ist der Bunker daher oft restlos ausgebucht. Schade, dass er nicht mehr Plätze hat.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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