Kurzkritik:Bewundernswerter Mut

Lesezeit: 1 min

Bassbariton Thomas Stimmel überzeugte beim Konzert mit dem Vokalensemble Icking. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bestform: Thomas Stimmel und das Vokal-Ensemble

Von Reinhard Szyszka, Icking

"Ich bin davon überzeugt, dass der Thomas Stimmel weltberühmt wird", erklärte Chorleiter Peter Marino, bevor er sich ans Klavier setzte. "Und da will ich einst sagen können: Mit dem habe ich auch mal gespielt." In der Tat präsentierte sich Stimmel beim "Ope(r)n Air Konzert" am Samstag in Bestform. Den Flieder-Monolog des Hans Sachs aus Wagners "Meistersinger von Nürnberg" gestaltete der Bassbariton mit mächtiger, dabei flexibler und zu feinsten Ausdrucksnuancen fähiger Stimme. Man gewann wirklich den Eindruck, den künftigen Star-Interpreten der Rolle vor sich zu haben.

Zuvor hatte Stimmel gemeinsam mit dem Vokal-Ensemble Icking gezeigt, dass er auch das komische Fach beherrscht. Die Opernprobe aus Lortzings "Zar und Zimmermann" darf bei einem solchen Konzert natürlich nicht fehlen, und die Rolle des eitlen Bürgermeisters Van Bett war Stimmel auf den Leib geschrieben.

Der Sänger spielte, nein: lebte die Figur mit allen Nuancen, bezog auch den Dirigenten in sein Spiel mit ein und inspirierte den Chor zu Höchstleistungen. Bürgermeisterin Margit Menrad, die im Publikum saß, nahm die singende "Konkurrenz" mit Humor.

Die Nummern mit Stimmel waren sicherlich Höhepunkte des "Ope(r)n Air Konzerts", das aufgrund der unsicheren Wetterlage im Saal stattfand. Die Aula des Ickinger Gymnasiums war sehr gut besucht; Befürchtungen, das am selben Tag stattfindende Benefizkonzert könne Besucher abspenstig machen, bewahrheiteten sich nicht. Chorsänger Hartmut Schröter moderierte das Programm, das Opernchöre des 19. Jahrhunderts umfasste; ein Schwerpunkt lag bei Richard Wagner. Bei einigen Nummern erhielten die Ickinger Verstärkung durch das Vokalensemble Fünfseenland.

Nun sind viele Opernchöre - insbesondere bei Wagner - für professionelle Chorsänger mit ausgebildeten Stimmen geschrieben, und Chorleiter Peter Marino muss sich fragen lassen, ob er sich und seinen Sängern wirklich einen Gefallen getan hat, gerade solche Nummern auszuwählen. Mit bewundernswertem Mut stürzten sich die Chorleute in die unangenehmen Höhenlagen des "Einzugs der Gäste" aus "Tannhäuser" und die nicht minder unbequemen Passagen von Poulencs "Dialogues des Carmélites".

Doch waren es die weichen, ruhigen Stücke, in denen der Chor den stärksten Eindruck hinterließ: der Mondaufgang aus Nicolais "Lustigen Weibern", der Gefangenenchor aus "Nabucco", die Spinnerinnen aus dem "Fliegenden Holländer". Eine Konzentration des Programms auf derartige Nummern hätte dem Konzert gutgetan.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: