Konzert in Geretsried:Perfektion in der Finsternis

Lesezeit: 2 min

Das "Khachaturian Trio" aus Armenien bei einem Auftritt in den Ratsstuben. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Trio Khatchaturian bringt die großen Emotionen russischer und armenischer Musik in den Ratsstubensaal

Von Reinhard Szyszka, Geretsried

Am Wetter kann es nicht gelegen haben. Ein milder Frühlingsabend wäre eigentlich ideal für einen Konzertbesuch, und Komponisten-Namen wie Rachmaninow und Tschaikowski ziehen auch. Dennoch blieben beim Auftritt des armenischen Khatchaturian-Klaviertrios im Geretsrieder Ratsstubensaal etliche Plätze leer. Die sonst so beliebten Konzerte der Stiftung Zukunft Mensch, auch unter der Bezeichnung Mucos-Konzerte bekannt, schwächelten diesmal.

Die Korrepetitorin Hannelore Bretz, in der Stiftung für die Künstlerkontakte zuständig, bat die drei Musiker einzeln auf die Bühne. Mit Erstaunen nahm das Publikum zur Kenntnis, dass "Karen" in Armenien ein Männername ist, während sich hinter "Armine" eine Frau verbirgt. Die Künstler hatten ausschließlich Musik aus ihrer armenisch-russischen Heimat aufs Programm gesetzt. Sie eröffneten den Abend mit dem "Trio élégiaque" von Sergei Rachmaninow, einem schwerblütigen, melodischen Stück, nicht frei von Sentimentalität. Äußerlich unbeweglich saßen die Musiker an ihren Instrumenten, ihr Mienenspiel verriet nichts, und doch: Welche Emotionen brachten sie mit ihrem Spiel zum Ausdruck! Rachmaninow wäre nicht er selbst, wenn er nicht insbesondere vom Pianisten erhebliche Fingerfertigkeit verlangen würde; Armine Grigoryan umschiffte alle technischen Klippen mit Bravour.

Dann folgte ein Werk des armenischen Komponisten Tigran Mansurian, der sich darin mit dem Völkermord an den Armeniern auseinandersetzt. Bretz wies in ihrer Einführung darauf hin, dass dieses tragische Ereignis vor genau 100 Jahren seinen Anfang genommen hat. Mansurian entstammt einer Familie, die sich damals in die Emigration retten konnte, und er kommt in seinem Schaffen immer wieder auf die Tragödie seines Volkes zurück. Auch über seinem fünfsätzigen Klaviertrio, eigens für das Trio Khatchaturian komponiert, liegt eine verhaltene Trauer, eine stille Wehmut, die sich wohltuend von der plakativen Larmoyanz bei Rachmaninow abhebt. Mansurian bleibt in seinem Trio trotz einer avancierten, nicht immer tonal fassbaren Musiksprache verständlich und klar. Den Höhepunkt bildet der Mittelsatz "Canzona", in dem der Komponist wohl ein Volks- oder Kinderlied aufgreift. An anderen Stellen zeugen Tanzrhythmen vom ungebrochenen Lebensmut der Armenier.

Die Zuhörer wären dem anspruchsvollen Werk noch besser gefolgt, wenn sie sich anhand der Satzbezeichnungen auf dem Programmzettel hätten orientieren können. Leider hatten die Veranstalter die Beleuchtung im Zuschauerraum komplett abgedunkelt. Nur von der Bühne und von den Notausgängen her erhellte schwaches Licht den Saal. So kam es, wie es kommen musste: Trotz Hannelore Bretz' einleitendem Hinweis auf die laufende Aufnahme wurde an allen leisen Stellen gehustet. Es ist seit langem bekannt, dass Konzerthusten weniger mit Erkältung als mit Langeweile und Orientierungslosigkeit zu tun hat.

Nach der Pause gab es das a-Moll-Trio von Pjotr Tschaikowski zu hören, auch dies ein Werk der Trauer, geschrieben in Gedenken an den Pianisten und Dirigenten Nikolai Rubinstein. Weit mehr noch als Rachmaninow hat Tschaikowski sein Trio mit technischen Herausforderungen aller Art gespickt, nicht nur für das Klavier, sondern ebenso auch für die Streicher. Die Musiker des Trio Khatchaturian bewältigten mühelos alle Schwierigkeiten und zeigten perfektes Zusammenspiel, makellose Intonation sowie eine Virtuosität, die niemals Selbstzweck war, sondern immer im Dienst der Musik stand. Die Künstler wagten es, das Werk ungekürzt zu spielen und selbst die Fugen-Variation, die sonst gerne gestrichen wird, zu präsentieren.

Geradezu lustvoll stürzten sie sich in das Finale, das die technischen Ansprüche nochmals steigert und doch nicht im rauschenden Triumph, sondern in trauernder Resignation zu Ende geht. Obwohl es im Saal wieder finster war, konnte das Publikum diesmal der Musik besser folgen und spendete begeisterten Applaus. Die Musiker ließen sich nicht lange bitten und bedankten sich mit einem Nocturne von Aram Chatschaturjan, dem Namenspatron des Trios.

© SZ vom 17.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: