Königsdorf:Zeitreisen zu neuen Freundschaften

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Ganz unvoreingenommen spielten und bastelten die Kinder im Zeltlager der evangelischen Jungend miteinander und schlossen Freundschaften. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In einem Zeltlager der Evangelischen Jugend in der Königsdorfer Jugendsiedlung Hochland verbringen deutsche Kinder ihre Ferien gemeinsam mit Flüchtlingskindern ohne Berührungsängste und Vorurteile.

Von Barbara Briessmannund Sophia Joos, Königsdorf

"Wir haben gewonnen!": Der kleine Tamino strahlt vor Freude, wenn er von den "Olympischen Spielen" erzählt. Diese waren nämlich einer von vielen Höhepunkt in einem Zeltlager, das die Evangelische Jugend im Dekanat in der vergangenen Woche für die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach veranstaltete. Der siebenjährige Tamino war eines der 35 Kinder, die in den Pfingstferien sechs Tage in der Jugendsiedlung Hochland in Königsdorf auf "Zeitreise" gingen, so das Motto des Zeltlagers. Die Besonderheit: Von den zehn Mädchen und 25 Buben kamen 12 Kinder aus Flüchtlingsfamilien. Zwölf Betreuer kümmerten sich um die Sieben- bis Elfjährigen. Am Tag vor ihrer Abreise zogen Leiter und Kinder fröhlich und entspannt Bilanz.

Eine problemlose Gruppe sei es gewesen, erklärten Marion Münsterer und Dieter Hoff. Die beiden sind hauptberuflich beim Dekanat als Jugendleiter tätig. Natürlich gebe es unter Kindern auch immer mal wieder kleinere Streitereien, weiß Hoff, "alles andere wäre bedenklich." Doch mit den Flüchtlingskindern gab es keine Berührungsängste. Kinder würden offen mit anderen Kindern umgehen, hätten keine Vorurteile im Kopf. "Wenn jemand doof ist, ist er doof, egal ob er aus Deutschland oder Syrien oder Afghanistan kommt", stellt Marion Münsterer in ihrer Arbeit mit Kindern immer wieder fest. Bei der Verständigung habe es zwar ab und zu kleinere Probleme gegeben. "Aber nicht unter den Kindern, die kamen gut miteinander zurecht." Die zehnjährige Lioba, die schon bei einigen Zeltlagern mit dabei war, bestätigt das: "Irgendwie hat man immer erklären können, worum es geht." Die einen würden etwas weniger Deutsch sprechen, andere mehr. "Aber wir verstehen uns gut", ist ihr generelles Fazit. Denn Flüchtlingskinder, "das sind doch auch nur Menschen. Menschen, die halt von woanders herkommen", stellt sie klar.

Mit ins Zeltlager kamen die Flüchtlingskinder über den Kontakt des evangelischen Dekanats zu den Helferkreisen. Diese setzten sich mit Eltern in den Flüchtlingsunterkünften in Verbindung. "Die Familien freuen sich, dass ihre Kinder auch mal rauskommen, etwas mit Gleichaltrigen unternehmen", sagt Dieter Hoff. Auch habe sich das Deutsch der Kinder in den wenigen Tagen spielerisch verbessert.

Spiele und Aktionen gab es täglich auf der "Zeitreise", dem Motto des Zeltlagers. So bearbeiteten die Kinder beispielsweise zum Thema Steinzeit Specksteine und beschäftigten sich mit Höhlenmalerei. Für die Zeit der Antike standen die Olympischen Spiele und um den Zeitabschnitt des Wilden Westens näher zu bringen, bastelten die Teilnehmer indianische Armbändchen. Auch die siebenjährige Angelina ist von den Tagen in Königsdorf ganz begeistert, so sehr, dass ihr zunächst gar nicht einfallen mag, was ihr am besten gefallen hat. Vielleicht war es doch das große Ganze: Die anderen Mädchen im Zelt seien nämlich jetzt alle ihre Freundinnen, eine davon stammt aus Syrien. Das erwähnt Angelina allerdings gar nicht erst, denn für sie zählt nur eines: "Die sind alle nett."

"So eine Gruppe haben wir noch nie erlebt", freuen sich die Betreuer Münsterer und Hoff nicht minder. Nach der Bettruhe um zehn Uhr und nachdem die Kinder noch eine Geschichte vorgelesen bekommen hatten, sei stets wirklich Ruhe gewesen. Vor dem Wecken um Viertel nach sieben Uhr in der Früh "ist niemand durchs Lager gegeistert - ganz ungewöhnlich." So etwas hätten sie vorher nicht gekannt. Auch die anderen Betreuer, wie etwa der 15-jährige Leander, hatten Spaß mit den Kindern. Natürlich sei es auch anstrengend, räumt er ein. Aber er werde sich "auf jeden Fall" weiter als Jugendleiter engagieren, sagt er lächelnd. Für ihn einer der Höhepunkte des Zeltlagers: der sogenannte "bunte Abend" am Freitag. Auf den freuten sich auch die Kinder besonders, weil sie ihn ganz nach ihren Wünschen gestalten konnten. Im Anschluss daran und bevor die letzte Nacht im Zeltlager hereinbrach, versammelten sich alle Teilnehmer noch einmal um ein knisterndes Lagerfeuer. Wenn die Kinder aus aller Welt da von ihrem gemeinsamen Spaß und ihren Erfolgen erzählten, waren sie dem olympischen Gedanken vielleicht näher als gedacht: Dabeisein ist schließlich alles.

© SZ vom 30.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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