Kochel am See:Wieder ein Unfall an einem Bahnübergang

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Warum der Fahrer des Traktors den Zug nicht hat kommen sehen, ist derzeit noch rätselhaft. Der Mann wurde beim Zusammenprall schwer verletzt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ein 48-jähriger Traktorfahrer gerät bei Benediktbeuern vor die Regionalbahn und wird schwer verletzt. Lokführer und Zugbegleiter verletzen sich leicht. Regelmäßig kommt es an den Gleisen zu Unglücken - doch Ampeln oder Schranken sind Kommunen und Bahn zu teuer

Von David Costanzo und Ingrid Hügenell, Kochel am See

Zugunglück und Sperrung auf der Bahnlinie zwischen Tutzing und Kochel: An einem unbeschrankten Bahnübergang im Kochler Ortsteil Ried sind am Mittwoch gegen 15 Uhr eine Regionalbahn und ein Traktor samt Heuballen-Anhänger zusammengestoßen. Der 48-jährige Traktorfahrer wurde eingeklemmt und musste von der Feuerwehr befreit werden. Er erlitt schwerste Verletzungen und wurde per Hubschrauber in die Unfallklinik Murnau gebracht, berichtet die Polizei. Die Strecke war zwischen Kochel und Benediktbeuern bis Donnerstagabend gesperrt.

Immer wieder kommt es auf der Zugstrecke zwischen Tutzing und Kochel zu Unfällen, obwohl pro Stunde nur je ein Zug in jede Richtung fährt. Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd in Rosenheim verzeichnet seit 2009 acht Unfälle. Laut Polizeisprecher Jürgen Thalmeier ist die Strecke aber nicht auffallend unfallträchtig, obwohl es dort noch einige unbeschrankte Bahnübergänge gibt - wie den, an dem am Mittwoch der Traktorfahrer verunglückte. Allerdings ereigneten sich nur zwei der Unfälle an unbeschrankten Übergängen.

Bei dem schlimmsten Vorfall, in dessen Folge 2013 eine 76-Jährige Tölzerin starb, war eine Autofahrerin trotz heruntergelassener Schranke am Bahnübergang an der Bundesstraße 11 zwischen Benediktbeuern und Bichl auf die Gleise gefahren.

Regelmäßig gibt es Überlegungen, neue Schranken einzurichten, vor allem nach Unfällen. Doch Schranken sind teuer, die Bahn beziffert die Kosten auf je 500 000 Euro, und die jeweiligen Gemeinden müssten einen großen Teil davon tragen. "Das sind extreme Kosten für die Gemeinde", sagt Benedikt Pössenbacher, Bürgermeister von Bichl. Deshalb blieb es bisher bei den Überlegungen.

Allerdings hat die Bahn in den vergangenen 25 Jahren die Zahl der Übergänge von 7000 in ganz Bayern auf die Hälfte reduziert. Nach Erkenntnissen der Bahn sind über 90 Prozent der Kollisionen zwischen Straßenverkehrsteilnehmern und Zügen auf Bahnübergängen auf falsches Verhalten der Autofahrer und Fußgänger zurückzuführen. "Der beste Bahnübergang ist der, den es nicht mehr gibt", lautet das Fazit der Bahn.

Warum der Traktor am Mittwoch vor den Zug geriet, steht laut Polizei noch nicht fest. Weil der Bahnübergang weder über Schranken noch Ampeln verfügt, müssten die Gleise auf Sicht überquert werden. In Frage kommen nach Aussage eines Beamten neben der Unachtsamkeit des Fahrers womöglich die tief stehende Sonne, die ihn geblendet haben könnte. Der Landwirt kannte den Bahnübergang jedenfalls gut, weil er ihn nach Auskunft eines Angehörigen oft überquerte. Der Lokführer (50) und der Zugbegleiter (26) verletzten sich bei der Vollbremsung leicht und wurden ebenfalls in die Klinik gebracht. Die zehn Passagiere im Zug kamen nicht zu Schaden und konnten mit Taxis weiter fahren.

Die Bahnstrecke war nach dem Unfall komplett gesperrt: Die Oberleitung war beschädigt, ein Strommast aus seiner Verankerung gerissen. Die Bahn richtete einen Schienenersatzverkehr zwischen Bichl und Kochel ein. Die Reparatur gestaltete sich schwierig, sie konnte erst am Donnerstag beginnen. Die Regionalbahn wurde schon am Mittwochnacht nach München geschleppt, Traktor und Anhänger wurden am Donnerstagnachmittag geborgen. Die Polizei schätzt den Schaden an Zug und Oberleitung auf 160 000 Euro, den am Traktor auf 30 000 Euro.

An dem Großeinsatz waren Dutzende Retter beteiligt. Neben dem Bayerischen Roten Kreuz waren rund 50 Einsatzkräfte mehrerer Feuerwehren mit zwölf Fahrzeugen vor Ort.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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