Kochel am See:Familientreffen in Klappsesseln

Lesezeit: 3 min

Christine Huber, Astrid Habeck-Schindler, Steffen Wendler und Renate Langer (v. l.) gehören zu den Aktiven, die in Kochel am See ein Kino betreiben. (Foto: Manfred Neubauer)

Seit 20 Jahren gibt es in der kleinen Gemeinde ein Kino, das täglich geöffnet hat. Möglich machen dies 30 ehrenamtliche Kulturbegeisterte

Von Sabine Näher, Kochel am See

Vier "g'spinnerte Weiber" kamen im Herbst 1996 auf die Idee, das Kocheler Kino wachzuküssen. Zehn Jahre lag es da schon im Dornröschenschlaf. "Das wird doch nie was!", hätten alle gesagt, erzählt Astrid Habeck-Schindler, eine der vier Initiatorinnen. Sie aber wollten Leben und Kultur nach Kochel bringen, auch wenn keine von ihnen Erfahrung mit dem Kinobetrieb hatte. Der Kontakt zu Thilo Pongratz, der in Stegen ein Programmkino betrieb, brachte die Initialzündung. Am 17. Januar 1997 hob sich zum ersten Mal der Vorhang in dem nostalgischen kleinen Kinosaal im Haus der Heimatbühne. Was damals keiner zu träumen wagte: Seither hat es (mit einer zweiwöchigen Pause) täglich eine Vorstellung gegeben.

Pongratz, erzählt Habeck-Schindler, sei von den Räumlichkeiten begeistert gewesen. "Er machte uns aber klar, dass ein bisschen Kino, so am Wochenende oder einmal im Monat, nicht funktionieren würde." Ganz oder gar nicht, lautete die Devise. Pongratz war bereit, in der Anfangszeit als Betreiber zu fungieren. Die Filme, die er in Stegen zeigte, brachte er nach Kochel mit.

Die Arbeit vor Ort leisten die Kochler Kinofans seit 20 Jahren rein ehrenamtlich. Bei der Vereinsgründung 1996 hatten sich spontan 30 Mitglieder zusammengefunden. Noch im ersten Jahr wurden es mehr als 80; mittlerweile hat sich die Zahl bei etwa 180 Mitgliedern eingependelt. Der moderate Jahresbeitrag in Höhe von 15 Euro sichert die Tätigkeit des Vereins, öffentliche Fördergelder gibt es nicht. Aktiv sind um die 30 Leute dabei, die Hälfte als Vorführer, die anderen kümmern sich um alle sonstigen Aufgaben - von der Reinigung bis hin zum Kioskbetrieb.

Warum investiert man so viel Zeil in ein Kino? Steffen Wendler, der bei Roche in Penzberg arbeitet, stieß 2009 zum Verein hinzu: "Am Anfang kam ich als neugieriger Besucher. Dann bin ich in den Verein eingetreten. Und dann hat sich das so weiter entwickelt." Derzeit ist Wendler der Kinobetreiber: Er entscheidet über die Filmauswahl und kümmert sich um die Ausleihe; fährt auf Filmfeste nach München oder Leipzig, liest Filmbesprechungen und recherchiert, was es auf dem Markt gibt. So ist er täglich mit dem Thema beschäftigt.

Was sie alle bei der Stange halte, erklärt Gründungsmitglied Renate Langer: "Das ist einfach ein toller Verein mit so vielen netten Leuten. Wir sind eigentlich eine große Familie!" Dieser Aussage schließt sich Christine Huber, ein Neuzugang des Jahres 2013, an, die als Schriftführerin im Verein wirkt. Sie ist Mitarbeiterin der Münchner Stadtverwaltung und hat das kleine Kino früher einfach als gegeben hingenommen. Als vor vier Jahren die Digitalisierung anstand und die Existenz des Vereins bedroht war, wurde ihr klar: "Das soll weitergehen! Und dafür bin ich bereit, mich zu engagieren."

Astrid Habeck-Schindler sieht sich nach langjährigem Einsatz für das Projekt heute eher in den hinteren Reihen. Die Krankenschwester und Lehrerin für Pflege ist nicht mehr in den täglichen Betrieb, aber in die Organisation der Sonderveranstaltungen eingebunden. "Das Kino war ja mal unser Baby. Es erfüllt mich wirklich mit Stolz, dass es nun schon so lange so gut läuft." Und das tut es mit mehr als 5000 Besuchern im Jahr tatsächlich. Auch die Penzberger verdanken ihr Kino letztlich dem Kochler Kinoverein: 2005 entschieden sich die Mitglieder Claudia und Markus Wenzl, in der Nachbarstadt ihren eigenen kleinen Filmpalast zu gründen.

Ein Highlight in Kochel, das bis zu 600 Leute anzieht, ist das "Freiluft-Kino" an der Seepromenade. Auch Kabarettveranstaltungen stemmt der Verein einmal jährlich; diese finden allerdings in den größeren Räumen der Heimatbühne statt, um den Publikumsandrang bewältigen zu können. 2007 war das Kino für 14 Tage geschlossen, weil eine grundlegende Innenrenovierung anstand: neue Böden, Podeste, eine neue Bestuhlung - alles schulterte der Verein mit eigenen Mitteln und in Eigenarbeit. Der nächste große Schritt war die Digitalisierung 2013, da der Betrieb mit den alten Projektoren und den Filmrollen nicht mehr aufrechtzuerhalten war. Seither ist das Kocheler Kino gut aufgestellt und kann der Feier des 20. Geburtstages mit Stolz und Freude entgegensehen.

"20 Jahre Kino in Kochel" mit dem Improtheater isar 148, Freitag, 20. Januar, 20 Uhr, Heimatbühne, Kochel am See, 10 Euro, www.kinoinkochel.de

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: