Kempfenhausen:Luther und Orff als Schutzgeister

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Peter Weiß (l.) und Gerd Holzheimer lesen in Kempfenhausen aus "Da kloa Prinz", der Übertragung des Klassikers ins Bairische. (Foto: Arlet Ulfers)

Gerd Holzheimer liest aus seiner Übersetzung "Da kloa Prinz"

Von Katja Sebald, Kempfenhausen

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass man eine Fremdsprache sehr gut können muss, um sie zu übersetzen. Prominente Beispiele für solche guten Übersetzer gibt es zuhauf, seit neuestem gehört auch der Literaturwissenschaftler Gerd Holzheimer zu ihnen. "Da kloa Prinz" (Allitera-Verlag, 14,90 Euro) ist eine Übertragung des Kultbuchs von Antoine Saint-Exupéry ins Bairische - nicht aus dem Deutschen, sondern aus dem Französischen, das Holzheimer nach eigenem Bekunden jedoch kaum beherrscht. Bei einer sonntäglichen Matinée stellte der oberbayerische "Native Speaker" auf Einladung der "Kunsträume am See" im Schloss Kempfenhausen sein neues Buch vor. Der Schauspieler Peter Weiß lieh dem kleinen Prinzen seine Stimme und die drei Saitenweisen - Steffe Mair am Hackbrett, Stefan Fischer am Kontrabass und Philipp Carlson an der Harfe - umrahmten die Lesung zu einer besinnlich-musikalischen Adventsstunde.

Darf man das und geht es überhaupt, das elegante, feine Französisch von Saint-Exupéry in ein womöglich deutlich weniger geschmeidiges, derbes bairisches Idiom zu übersetzen? Kann das über ein paar Schenkelklopfer-Gags - ähnlich wie bei den mundartlichen Asterix-Heften - hinausgehen? Interessanterweise war Holzheimer selbst zu Anfang ein vehementer Gegner einer solchen Übersetzung, er habe sein Leben lang nicht auf Bairisch geschrieben, weil es ja das eine, allgemeingültige Bairisch gar nicht gebe. Er habe schon die "Bayern-Fundis gesehen, wie sie aus ihren weißblauen Löchern herausluren", um über ihn herzufallen. Dann aber habe er sich an Luther gehalten, der die "Seele des Wortes in der Stimme" sah - und habe sich mit ihm und mit dem Großmeister der bairischen Sprachmelodie Carl Orff als "Schutzgeister" an die Übersetzung gemacht. Entstanden ist eine mutige Interpretation, die, befreit von den Restriktionen des Duden und mit einer gewissen Anarchie, zum einen der Klangschönheit und dem leisen Hintersinn der bairischen Sprache frönt, zum anderen aber auch an entscheidenden Stellen auf das Pathos früherer Übersetzungen verzichtet. Peter Weiß, der noch einmal eine ganz eigene Dialektfärbung mitbrachte, traf genau den richtigen Ton zwischen Märchenerzähler und unprätentiöser Jungenhaftigkeit.

"Mir hat scho da Boandlkramer gwunga mit seiner Schaufe", lässt Holzheimer den Ich-Erzähler nach dem Flugzeugabsturz in der Wüste sagen. Aus den "Erwachsenen" macht er "große Leit", weil das auf Bairisch deutlich weniger sperrig klingt. Sein kleiner Prinz ist manchmal einfach "a kloana Bua" und manchmal ein "Gscheidhaferl". Er sagt: "Bei mir dahoam is ois so vui kloa." Insbesondere in den beiden Schlüsselszenen hat Holzheimer aber nicht nur übersetzt: So lässt er etwa die kapriziöse Rose mit einem starken französischen Akzent sprechen, was durchaus charmant klingt. Und sein bairischer Fuchs vermeidet das Wort "zähmen", denn Holzheimer vermisste darin den Aspekt der Freiwilligkeit. Der Fuchs ist deshalb erst "koa Viech für dahoam", dann lässt er sich "eifanga" und schließlich will er mit dem kleinen Prinzen "zammfindn". Die Eindringlichkeit, die durch die Wiederholung des Wortes "zähmen" entsteht, geht dadurch freilich verloren. Umso schöner aber ist dann der Satz: "Des Redn, des is die Wurzl vo nix ois wia, dass ma se ned vasteht."

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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