Jubiläum:Kein Heiratsantrag, keine Fotos

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Anna und Michael-Martin Schmidt haben am Nikolaustag 1956 in Rumänien geheiratet. Ein eigenes Hochzeitsfoto haben sie nicht mehr. (Foto: Hartmut Pöstges)

Anna und Michael-Martin Schmidt feiern in Geretsried ihre diamantene Hochzeit. Vor 60 Jahren dauerte das Fest drei Tage

Von Barbara Brießmann, Geretsried

Wenn Anna Schmidt nach dem schönsten Tag in ihrem Leben gefragt wird, dann fällt ihr nicht ihre Hochzeit ein. "Als wir erfahren haben, dass wir auswandern dürfen, das war das schönste Gefühl", sagt die Geretsriederin. Trotzdem hält ihre Ehe schon sehr, sehr lange: die diamantene Hochzeit konnte sie mit ihrem Mann Michael-Martin am 6. Dezember 2016 feiern. Verspätet hat ihnen am Freitag Geretsrieds Bürgermeister Michael Müller (CSU) zum 60. Hochzeitstag gratuliert.

Wann genau sie sich kennengelernt haben, können beide nicht mehr sagen. "Wir kommen aus dem selben Dorf in der Nähe von Kronstadt in Siebenbürgen, dort kennt man sich einfach", sagt der 85-Jährige Michael-Martin Schmidt. Seine drei Jahre jüngere Frau ergänzt: "In der Jugend hat man sich dann das gesucht, was passt." Mit 18 oder 20 hätten sie sich gefunden. Um heiraten zu können, hätten sie eine Wohnung oder einen Hof gebraucht. Den bekamen sie von einer Tante vererbt. Gab es einen Heiratsantrag? Die Schmidts lachen. "Ja und nein", sagen sie. Um Annas Hand angehalten hat Michael-Martin nicht. Detail verraten sie nicht. "Innerhalb von zwei Jahren haben alle Freunde geheiratet, dann wollten wir es auch", erklärt Anna Schmidt.

Drei Tage lang habe die Hochzeitsfeier gedauert. "Es war sehr, sehr kalt", erzählt die Ehefrau. "Es war gar nicht einfach, mit allen drinnen zu feiern. Wir mussten ein Zimmer ausräumen, damit Platz war."

Ein Hochzeitsfoto haben die Schmidts nicht. Es seien zwar Bilder gemacht worden, "aber die waren nichts". Deswegen wollten sie ein Bild kurze Zeit später nachstellen, doch auch der andere Fotograf sei schlecht gewesen. "Es war nicht so wie heute, wo das Hochzeitsbild fast wichtiger ist als alles andere", sagt die 82-Jährige und lächelt. Wie zum Beweis ist ihr Wohnzimmer voll von Hochzeitsbildern. Sie zeigen ihre drei Kinder und einen der sechs Enkel mit ihren Partnern. Zwei Urenkel haben die Geretsrieder auch schon.

1970 war es, als sie es nicht mehr aushielten in Rumänien. "Fast alle Deutschen waren schon weg aus Siebenbürgen", erinnern sie sich. Damals sei es immer schlimmer geworden mit dem Kommunismus. "Man musste schweigen, um in Ruhe gelassen zu werden", sagt Anna Schmidt. Die Familie wollte weg nach Deutschland. Aber sie wurde nicht gelassen. "Ich war in der kommunistischen Partei, und sie sagten, sie bräuchten mich im Land", sagt Michael-Martin Schmidt. Der Antrag auf die Ausreise wurde über Jahre nicht genehmigt. "Wir haben viel gekämpft, bis wir wegkonnten." 1981 dann war das Glück groß: "Wir konnten auswandern."

Zunächst nach Einbeck in Niedersachsen. "Dort hatte mein Vater, der nach dem Krieg nicht mehr nach Rumänien durfte, eine Kfz-Werkstatt", berichtet der 85-Jährige. Als der starb, suchten sich die Schmidts einen Hausmeister-Posten an der Weser. Es gefiel ihn gut dort. Aber die beiden hatten Sehnsucht nach ihren Kindern. Die Tochter landete nach ihrer Hochzeit in Geretsried, der ältere Sohn studierte in München. Also machten sie sich auf die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz - und fanden ihn in Wolfratshausen, wo sie zwölf Jahre lang blieben, wieder als Hausmeister. "Ich habe mich um Garten und Haus gekümmert, meine Frau sich um die Sauberkeit und die Wohnungen", erzählt Schmidt. 1996 gingen sie in Rente und zogen nach Geretsried, wo sie sich schon zuvor eine Wohnung gekauft und vermietet hatten.

Vor drei Jahren sind sie in eine Dachterrassenwohnung um die Ecke gezogen, finanziert vom Sohn, der wie sein Bruder in Rumänien lebt und sehr erfolgreich im Beruf ist. Er betreibt nicht nur dort, sondern auch in Wolfratshausen ein Autohaus. Auf einen eigenen Wagen verzichten möchte auch sein Vater nicht. Oder wie es Anna Schmidt sagt: "Er ist ja mit dem Auto verheiratet."

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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