Jachenau:Auf der Suche nach der Flockenblume

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Florian Thurnbauer vom AELF (mit Strohhut) erkennt ein Umdenken an den Landwirtschaftsschulen. (Foto: privat)

Landwirte und Laien lernen, was auf artenreichen Wiesen so alles wächst. Um die Blütenpracht zu fördern, gibt es Geld vom Staat - wenn der Fördertopf nicht leer wäre

Von Petra Schneider, Jachenau

Johannes ist erst fünf und schon ein Blumenexperte. Mit erkennbarem Sachverstand streift er durch die Blumenwiese seiner Eltern, die nicht in Bullerbü, aber mindestens ebenso idyllisch in der Jachenau liegt. Viel ist im Moment wieder die Rede vom schlechten Milchpreis, von Überkapazitäten, Hochleistungskühen und Hochleistungswiesen, die sieben Mal im Jahr gemäht und gedüngt werden müssen. Mit Ausnahme von Löwenzahn haben Blumen auf diesen intensiv bewirtschafteten Wiesen keine Chance.

Für Hans Schwaiger, den Vater von Johannes, ist das keine nachhaltige Lösung. Der Landwirt aus Orth in der Jachenau setzt auf artenreiches Grünland, das seit dem Jahr 2015 im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms (KULAP) auch in Bayern gefördert wird. "Mir gefällt die Idee von Artenreichtum", sagt Schwaiger, der auf seinem Hof 25 Kühe hält. Auf über der Hälfte seiner 55 Hektar Land wächst blühendes Grünfutter. Nur zweimal im Jahr mäht er und düngt sparsam, höchstens mit Mist und nie mit Mineraldünger.

Aus grünen Hochleistungsweiden haben sich so blühende Wiesenlandschaften entwickelt, die nicht nur seinen Sohn Johannes erfreuen. Kniehoch wachsen hier Frauenmantel, Margerite, Bocksbart, Flockenblumen, Vogel-Wicke, Hornklee. Und vieles andere mehr, wie sich kürzlich bei einer botanischen Führung zeigte, zu der das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) und die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts eingeladen haben.

"Wir wollen Blühflächen fördern, weil es davon in Bayern viel zu wenige gibt", sagt Florian Thurnbauer vom AELF. Gemeinsam mit Sabine Kraus vom Landratsamt zeigt er Bauern, wie man Pflanzen erkennt und so beurteilen kann, ob die eigenen Flächen für eine Förderung im Rahmen des KULAP-Programms geeignet sind. Der Anstoß zu der Veranstaltung sei von Schwaiger ausgegangen, sagt Thurnbauer. "Das hat mich sehr gefreut, dass die Initiative von einem Bauern gekommen ist." Das Interesse ist groß: Etwa 25 Leute sind auf den Hof gekommen und stapfen gemeinsam durch die noch nasse Wiese. Landwirte und interessierte Laien, Imker Georg Kellner, der erklärt, dass es auf häufig gemähten Wiesen ab Mitte Juli "kein Angebot mehr" für Bienen gebe.

Bauer Alois Willibald aus Wackersberg erzählt, dass seine Kühe das Blumenheu gerne fressen. "Das ist wie eine Apotheke für sie." Und das merke man auch an der Qualität der Milch. Josef Kreidl aus Wegscheid, der auf seinem Hof mit 18 Kühen ebenfalls Blühwiesen stehen lässt, hat noch Fragen zum Förderprogramm.

Wie Thurnbauer erklärt, sind auf einer Liste 34 Arten verzeichnet, die nur bei extensiver Bewirtschaftung wachsen. Mindestens vier davon müssen auf einer Wiese vorkommen. Dann gibt es 250 Euro pro Hektar aus dem Fördertopf. Bei mindestens sechs Arten kann das Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) mit höherer Fördersumme beantragt werden. Besondere Maßnahmen werden den Landwirten nicht vorgegeben. Sie können selbst entscheiden, wie sie die Wiese bewirtschaften. Was zählt, ist das Ergebnis, also der Artenreichtum des Grünlands, der einem "Prüfteam" nachgewiesen werden muss. Als Mindestgröße gilt eine Fläche von 500 Quadratmetern.

Einen Schönheitsfehler hat das Programm: Mangels Geld sei es im Moment ausgesetzt, sagt Thurnbauer. "Wir hoffen, dass für 2017 die Antragstellung wieder möglich ist". Im Unterschied zu Biotopflächen mit anderen Förderungen und Vorgaben wie dem kompletten Verzicht auf Düngung, handele es sich hier um ein "Blümchenprogramm", erklärt Kraus.

Auf der Wiese der Schwaigers ist die erforderliche Artenzahl längs einer gedachten Diagonale locker zu finden. Thurnbauer kann viel über Wiesenblumen erzählen. Zum Beispiel über das fedrig-weiße Mädesüß, dessen Wurzeln "wie Kaugummi" schmecken. Seit 13 Jahren ist der gelernte Pflanzenbauer Lehrer an der Landwirtschaftsschule in Holzkirchen. Meist kämen seine Schüler aus Großbetrieben, in denen intensiv gewirtschaftet wird. Auch er selbst habe vor zehn Jahren ausschließlich in Kategorien wie Ertragssteigerung gedacht. Das habe sich geändert. "In meiner Brust schlagen zwei Herzen", sagt er. Einerseits sollen Landwirte eine ordentliche Milchleistung und einen entsprechenden Ertrag erwirtschaften können. Anderseits soll sich aber auf den Weiden wieder mehr Vielfalt und Lebensraum für Bienen und andere Insekten entwickeln können.

Thurnbauer wirbt für eine Kompromisslösung: "Jeder Bauer kann eine Teilfläche in eine Wiese verwandeln, davon hängt nicht sein Überleben ab." Ein, zwei Prozent der Fläche könne man auch bei schlechtem Milchpreis extensiv bewirtschaften. "Dass ein Lehrer so denkt, freut mich", sagt Bauer Alois Willibald. Sein Sohn, der nach diesem Prinzip arbeite, werde an der Landwirtschaftschule "bloß belächelt." Nach Ansicht von Thurnbauer ändert sich der "Zeitgeist jedoch, auch an den Landwirtschaftschulen. "Inzwischen ist es ein Stück Normalität, dass Öko und Konventionell nebeneinander gehen."

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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