Innenstadt von Penzberg:Boulevard mit Bergblick

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10 Millionen Euro teures Lifting für die Innenstadt: In wenigen Wochen präsentiert sich Penzberg in neuem Glanz. Architekten setzen der "gebauten Verschiedenartigkeit" eine strenge grafische Struktur entgegen.

Felicitas Amler

Wer würde bei dem Wort "Boulevard" schon an Penzberg denken? Und doch hat ausgerechnet die städtebaulich von Haus aus gar nicht reizvolle ehemalige Bergarbeiterstadt eine Meile zu bieten, die es an Breite und Raum zum Flanieren mit mancher Prachtstraße aufnehmen kann. Die 670 Meter lange und von Hauswand zu Hauswand 30 Meter breite Bahnhofstraße in Penzberg wird gerade zu einer innerstädtischen Attraktion umgestaltet. Und dabei spielen die Gehsteige, die streckenweise zwischen 15 und 18 Meter breit sind, eine dominante Rolle. Mit einem "Erlebnisband", einem "Grünen Band" und einem modernen, unverschnörkelten Design.

Der erste Bauabschnitt lässt das wesentliche Element bereits erkennen: eine stark grafische Gestaltung der Fläche. (Foto: N/A)

Der Wunsch, die 16.000-Einwohner-Stadt Penzberg schöner zu gestalten, Einkaufsmöglichkeiten und Aufenthaltsqualität zu verbessern und damit letztlich ihr Image aufzupolieren, ist mehr als zehn Jahre alt. Schon 1999 wurde im Stadtrat ein städtebaulicher Ideenwettbewerb beschlossen. 2003 stand der Wettbewerbssieger fest. 2006 wurde mit dem Umbau begonnen, und Anfang Oktober soll die neue Penzberger Innenstadt fertig sein und gefeiert werden. Die Stadt lässt sich die Sanierung insgesamt zehn Millionen Euro kosten. Sie erhält dafür Förderung aus dem Bund-Länder-Programm "Aktive Zentren".

Man habe hier eine einzigartige Situation, sagt Bürgermeister Hans Mummert (SPD): "Die Stadt wird von zwei Staatsstraßen durchkreuzt." Und die sind extrem belastet: Etwa 18000 Fahrzeuge passieren die Seeshaupter Straße, die in der Innenstadt in die Karlstraße übergeht; etwa 13000 sind es in der Sindelsdorfer Straße, die im Stadtkern die Bahnhofstraße ist. An eine Umfahrung der Stadt sei mit Rücksicht auf die Ökologie nicht zu denken, erklärt Mummert: Rundum schützenswerte Landschaft, Moorgebiete. Die Konsequenz, so Mummert: "Wir müssen uns mit diesen beiden Straßen abfinden." Und das Beste daraus machen. Wie - das hat die ortsansässige Architektengruppe P in ihrem Konzept vorgegeben, mit dem sie den Wettbewerb gewonnen hat.

"Die Stadt ist relativ unaufgeräumt, was die Häuser betrifft", erklärt Bauleiter Thomas Grubert, Mitglied der Architektengruppe P. Die Grundidee der Neugestaltung sei es daher, den Blick mehr in die Fläche als auf die Häuser zu lenken und der "gebauten Verschiedenartigkeit" etwas entgegenzusetzen: ein starkes grafisches Konzept, das sich auf Straße und Gehwege konzentriert. Die Architekten haben versucht, die Flächen nahezu schwarz-weiß zu gestalten. Dafür wählten sie als helles Element Granit, als dunkles Olivindiabas, einen Naturstein aus Hessen. Diese beiden Materialien strukturieren die Straßen- und Flanierbereiche mit regelmäßigen, teils versetzt angeordneten Streifen. "Das ist ganz wichtig: diese ganz starke grafische Figur gegen diese Unruhe der gebauten Verschiedenartigkeit", sagt Grubert.

Bürgermeister Mummert hat verstanden, was die Architekten meinen: Penzberg habe nun mal keine sehenswerte Altstadt, keinen mittelalterlichen Kern. "Wir sind eine moderne Industrie- und Einkaufsstadt", sagt er. Dazu passe eben nur ein "moderner, geradliniger Ausbau".

Ein wenig verspielt präsentiert sich der Springbrunnen mit farblich wechselnder Beleuchtung. (Foto: N/A)

Der erste Bauabschnitt, die nördliche Bahnhofstraße bis zur Kreuzung Karlstraße, ist bereist fertig, der zweite Abschnitt, bis zum Bahnhof, läuft gerade noch. "Vorher war totales Chaos", sagt Architekt Grubert über die frühere Möblierung dieser Straße. Jetzt ordne sich alles der strengen Schwarz-Weiß-Struktur unter: das "Grüne Band" der Bäume und Pflanzeninseln und das "Erlebnisband". Und alles ist barrierefrei. Mehr als zwanzig Bäume wurden und werden neu gepflanzt: Silberlinden auf der einen Straßenseite, Kirschen auf der anderen. Im Erlebnisband gibt es einen Kiosk, einen Brunnen - schlicht, aber mit farblich abwechselndem Licht doch ein wenig verspielt -, streng geometrische schwarze Fahrradständer und ebenso formreduzierte niedrige Straßenlampen.

"Wir wollten im Beleuchtungskonzept grafisch bleiben", erklärt Grubert, "und haben eine Leuchte gesucht, die ein Null-Design hat." Gesucht - gefunden. "Meine Stangerl", nennt der Architekt die Lampen, die bei Räten wie Bürgern "wahnsinnig schwierig" durchzusetzen gewesen seien. Dabei sähen sie, wenn sie leuchten, einfach wie Kerzen aus, sagt der Bauleiter. Er erkläre Kritikern immer: "Die kannst du halt in zwanzig Jahren auch noch anschauen." Hier gelte eben dasselbe wie für die Umgestaltung insgesamt: "Ich kann nicht eine alte Stadt in etwas hineinbauen, was gar nicht alt war."

"Der eigentliche Stadtkern entstand im Jahr 1873", heißt es dazu in der Einleitung zum Sanierungsplan. Penzberg verdankt seine Existenz als Stadt dem Kohlebergbau, der eine Wohnkolonie nach sich zog. "Während sich die Zahl der Belegschaftsmitglieder im Jahr 1870 noch auf lediglich 150 Mann belief, waren 1951 rund 2000 Personen im Bergbau beschäftigt." Doch weitere 15 Jahre später wurde die Grube geschlossen. Penzberg hatte damals knapp 11.000 Einwohner.

Die Stadt veränderte in der Folgezeit ihr Gesicht. Und dies sehr uneinheitlich, wie die Städteplaner feststellten: Gebäude mit bis zu acht Geschossen, zumeist mit Flachdächern, stark unterschiedliche Dichte der Bebauung, dazu ein Mangel an räumlicher Fassung der Straßen. Die Sanierer setzen dem als Ziel entgegen: "Eine abwechslungsreiche Raumabfolge von Straßen, Plätzen, Passagen und Innenhöfen." Dazu die Betonung einer vorhandenen Sichtachse: Denn bei gutem Wetter gibt die Bahnhofstraße den Blick auf die Alpen frei. Ein Boulevard mit Bergblick.

© SZ vom 31.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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