Impro-Team:Das Extrakt extrahieren

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Auch die Rolle eines Baumes, dessen Äste sich im Wind bewegen, wird von einem der Darsteller übernommen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ickinger Gymnasiasten improvisieren mit dem "Fastfood Theater" die Geschichte einer Mumie in den Geretsrieder Ratsstuben

Von Martin Brjatschak, Geretsried

Schnelle Darstellerwechsel, rasante Wendungen der Geschichte sowie witzige Dialoge und Posen. Am Freitagabend weiß keiner der etwa 120 Zuschauer in den Geretsrieder Ratsstuben, in welche Richtung sich die Szene in den nächsten Sekunden entwickeln wird. Wie auch, denn die Schauspieler wissen es selbst nicht. Es ist viel mehr ein Gesamtkunstwerk, zu dem jeder einen kleinen Teil beiträgt.

Auf der Bühne stehen elf ehemalige und derzeitige Schüler des Ickinger Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums und drei Profis vom Münchner "Fastfood Theater". Die Anwesenden bestaunen drei verschiedene Shows: eine eigene Vorführung der Schüler, eine gemeinsame Darbietung sowie eine alleinige Vorstellung der Profis. Für musikalische Untermalung - natürlich auch improvisiert - sorgten die Schüler Phillip von Unold und Sophie Jellema sowie Michael Armann vom Theater.

"Wir spielen heute wirklich eine Weltpremiere", sagt Karl Haider, Gründer und Betreuer des Impro-Teams vom Ickinger Gymnasium: eine "Impro-longform". Das Besondere dabei: Die Schüler spielen anders als bei der herkömmlichen Form keine kurzen Szenen sondern eine durchgehende Geschichte.

Susi und Peter sind Meeresbiologen. Im Moorgebiet suchen sie zunächst erfolglos nach einem Heilmittel für Susis Großvater - er hat ein Problem mit der Lippe. Doch während der zweiten Schwangerschaft stirbt Susi. Als Peter das Grab mit seiner Tochter besucht, ist Susis Leichnam mumifiziert. Mit riesigen Spritzen extrahieren sie ein Extrakt aus Susi und finden so das Heilmittel für die "straffe Lippe".

Die Szenerie wirkt zunächst wild zusammengewürfelt, gar absurd. Und das ist sie auch. Doch handelt es sich dabei um kein herkömmliches Theaterstück mit einem merkwürdigen Manuskript, sondern um ein gelungenes Improvisations-Theater. Die Bausteine der Geschichte gibt das Publikum vor. Aus einer Moorlandschaft und einer "mumifizierten Susi" müssen die Schüler eine Handlung basteln - und dabei selbstverständlich improvisieren.

Es sind nicht alle immer aktiv. Durch eine kurze Berührung ersetzt ein Darsteller einen anderen und spielt die Szene weiter. Daraus entwickelt sich eine unvorhersehbare Geschichte mit lustigen Momenten, die keinem stringenten Konzept folgt, sich aber an den vom Publikum gegebenen Rahmenbedingungen orientiert. Dies ist den Schülern fantastisch gelungen. Knapp eine Minute dauert der mit Jubelschreien gespickte Applaus. Dann spielen Profis und Schüler gemeinsam. In kurzen Sketchen entstehen meist voneinander unabhängige Situationen. So fragt sich eine Schülerin, ob Tiere eine Seele haben, worauf der verdutzt blickende Darsteller verwirrt entgegnet: "Das ist ja schön, aber ich bin nur der Kellner" - und dafür Lacher aus dem Publikum erntet. Im dritten Teil greifen die Profis auch ein lokales Thema auf: der künftige Supermarkt in Icking. Dazu stellen sie verschiedene Personen dar, die sich in einer hypothetischen Straßenbefragung äußern. So wünscht sich eine Frau lieber einen Netto, da Rewe nur für Bonzen sei. Nach den Vorstellungen gab es neben langem Applaus auch zahlreiche Zugaberufe aus den Zuschauerreihen.

© SZ vom 19.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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