Icking:Totes Holz ist gutes Holz

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Zum Auftakt des bayerischen Aktionsjahrs erklären Förster Robert Nörr und der Isartalverein, was es im und für den Wald zu beachten gilt

Von Ingrid Hügenell, Icking

Der Wald zwischen den S-Bahn-Gleisen und dem Zusammenfluss von Loisach und Isar wirkt unaufgeräumt. Überall liegen bemooste Baumstämme herum. Darüber freuen sich die meisten der etwa 60 Leute, die vor allem deswegen hierher gekommen sind, zum Riemerschmid-Gedenkstein mit einem fantastischen Blick über die beiden Flüsse auf die Gebirgskette im Süden. Was in dem Wald des Isartalvereins herumliegt oder -steht, ist Totholz, und Totholz ist gut. Warum, das erläutern Robert Nörr und Ragnar Wende.

Die Teilnehmer sind Waldbauern und Naturschützer, amtierende und ehemalige Bürgermeister der umliegenden Gemeinden, Vertreter von Naturschutzverbänden, Ämtern und Behörden sowie interessierte Privatpersonen. Die Veranstaltung bildet im Landkreis den Auftakt des bayerischen Aktionsjahrs Waldnaturschutz, in dem es darum gehen soll, wie man den Wald nachhaltig nutzen und dadurch schützen kann. "Totes Holz ist voller Leben", erklärt Förster Nörr. Viele Arten lebten von dessen Zersetzung: Allein 1400 Käfer- und 3000 Pilzarten. Die Insekten und ihre Larven wiederum dienen anderen Tieren als Nahrung, Spechten beispielsweise. Und in die Höhlen, die Spechte gezimmert haben, aber nicht mehr selbst bewohnen, können Tiere wie Siebenschläfer oder Fledermäuse einziehen.

Treffpunkt Riemerschmid-Gedenkstein: Förster Robert Nörr beantwortet die Fragen der Exkursionsteilnehmer. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Waldstück rund um den Riemerschmidstein zwischen Icking und Wolfratshausen ist etwa fünf Hektar groß und verfügt über deutlich mehr Totholz als der durchschnittliche bayerische Wald. Hier wird deutlich, welche Interessen in den Wäldern konkurrieren: Viele Menschen suchen Erholung, das Holz soll genutzt, aber auch die Natur geschützt werden. Wie man diese unterschiedlichen Interessen unter einen Hut bringen kann, soll hier beispielhaft gezeigt werden. Der Isartalverein arbeitet dabei eng mit dem Forstamt zusammen.

Nörr und Wende führen die Gruppe durch den Wald an Stellen, die Probleme und Lösungen deutlich werden lassen. Der Steilhang zur Isar hinab beispielsweise soll vor Rutschungen gesichert werden. Dazu wollen die Förster große Fichten fällen und sie quer zum Hang liegen lassen. Die Stämme dienen so zum einen als Hindernisse, an denen sich Erde sammeln kann; zum anderen wachsen aus ihnen heraus junge Bäume nach. Außerdem sollen am Hang junge Feldahorne, Eiben und Mehlbeeren gepflanzt werden. Das fordert Hans Kornprobst, den Bergwald-Experten des Bunds Naturschutz (BN), zu Widerspruch heraus: Er hält diese Maßnahmen für überflüssig und die Naturverjüngung allemal für besser.

Wald-Exkursion: der Landtagsabgeordnete Martin Bachhuber, Forstamtsleiter Wolfgang Neuerburg und Isartalverein-Sprecher Erich Rühmer (v. li.). (Foto: Hartmut Pöstges)

Nörr antwortet, es würden nur Arten gepflanzt, die es im Wald noch nicht gebe und die sich deshalb auch nicht selbst vermehren könnten. Die ganze Veranstaltung ist so angelegt, dass nachgefragt und debattiert werden kann, was den Nutzen für die Teilnehmer enorm steigert.

Totholz ist zwar gut für den Wald, aber oft genug auch gefährlich für Menschen: Bäume können umstürzen, Äste abbrechen. Deshalb gelte: "Tote Bäume und Wege schließen sich aus", sagt Wende. Denn sollte ein Wanderer oder Radfahrer auf einem ausgewiesenen Weg wegen eines Totholzbaums verletzt werden, kann es passieren, dass der Waldbesitzer haftbar gemacht wird. Er unterliegt der Verkehrssicherungspflicht. "Eine große Belastung", sagt Nörr. Das könne den Betreffenden so teuer kommen, dass ein privater Waldbauer Haus und Hof verlieren könne, sagt Hans Killer, Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung Wolfratshausen. Das könne keiner riskieren. "Ein Grundübel", nennt der Vorsitzende des Bunds Naturschutz, Friedel Krönauer, die Verkehrssicherheitspflicht. Im Wald des Isartalvereins wird deshalb nun ein Weg gesperrt, damit eine große, schon leicht morsche Buche als Biotop-Baum stehen bleiben kann. Die Menschen müssen auf andere Wege ausweichen, von denen es aber genug gibt. Damit die Erholungssuchenden leicht erkennen können, worum es sich handelt, sollen an den Biotopbäumen rote Holzspechte angebracht werden.

An wieder einer anderen Stelle stehen einige große Fichten, gutes Nutzholz. Sie sollen gefällt und verwertet werden. Das tue auch dem Wald gut, erklärt Nörr. Denn den jungen Bergahorn-Bäumen, die unter den Fichten wachsen, gehe es gar nicht gut. Sie leiden unter Lichtmangel und werden sich besser entwickeln, wenn die Fichten weg sind. Für manche aber sei es leider schon zu spät, sagt Nörr und zupft an einem etwa vier Meter hohen, sehr mageren Stämmchen.

Das Interesse der Teilnehmer an konkreten Fragen ist groß, auch wenn nicht alle alles umsetzen können. Inken Domany, Umweltbeauftragte der Stadt Geretsried, nimmt aber wichtige Anregungen mit. Gerade im Stadtwald sei der Erholungsaspekt wichtig, sagt sie, und für die Kommunen sei es oft einfacher, die verschiedenen Aspekte der Waldnutzung zu verbinden.

Weitere Veranstaltungen zum Waldnaturschutz sollen folgen, etwa eine im Bergwald. Sturm Niklas hat allerdings die Planungen etwas zurückgeworfen, wie Nörr sagt, weshalb es noch keine weiteren Termine gibt.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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