Icking:Stricken, spielen, reden

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Dreimal in der Woche verwandelt sich das Ickinger Gemeindehaus in eine Teestube - für Begegnungen der Einheimischen mit Asylbewerbern. (Foto: Catherina Hess)

In der Ickinger Teestube der evangelischen Kirche treffen sich Einheimische und Asylbewerber

Von Claudia Koestler, Icking

Die Novembersonne zeigt sich noch einmal von ihrer schönsten Seite, also wird umgeräumt: Helferinnen schleppen Tische und Stühle aus dem evangelischen Gemeindesaal in Icking nach draußen, andere stellen Tassen und Thermoskannen mit Tee dazu. Die Ickinger Teestube hat geöffnet, und die Asylbewerber, die in der nahegelegenen Turnhalle Unterkunft bezogen haben, nehmen das Angebot, das es seit Mitte Oktober dreimal in der Woche gibt, gerne an: Ein Trupp junger Afghanen kommt an diesem Donnerstag freudestrahlend dazu, wenig später zwei schwangere Frauen aus Nigeria, ein Ehepaar aus Syrien.

Es wird eng rund um die Tische, doch das Zusammenrücken ist kein Problem. "Wir hatten schon an die 20 Personen, die vorbeischauen", sagt Gaby Kaifler vom Ickinger Helferkreis, der dreimal in der Woche die Teestube öffnet und damit Brücken baut für Begegnungen der Einheimischen und der Asylbewerber.

Innen bleibt an diesem Tag nur eine Weltkarte an einer Tafel zurück. "Da stecken wir immer eine Pin in jenes Land, aus dem der Besucher der Teestube stammt", erklärt Silvia Schmitt. Stolz zeigt sie auf die bunten kleinen Fähnchen, die die Diversität der Nationalitäten verdeutlichen. "Natürlich haben wir Pins in Syrien, Afghanistan, Pakistan und Nigeria", sagt Schmitt. Dennoch fällt auf, dass auch eine Pin mitten in Norddeutschland steckt: "Die wenigsten Einwohner hier sind ja gebürtige Ickinger", sagt Schmitt augenzwinkernd.

Die Atmosphäre draußen ist ungezwungen, der erste Schritt schnell getan: Meist wird das Gespräch mit der Frage eröffnet, ob der Andere Englisch oder Deutsch spreche. Reiner von Malsen ist an diesem Tag zum ersten Mal da, weil er neugierig ist auf die neu Angekommenen im Ort. Ohne viel Federlesens hat er sofort die Gruppe junger Afghanen angesprochen, fragt nach ihrer Herkunft, wie es ihnen in Icking derzeit geht, über welche Wege sie kamen und was sie in ihren Heimatländern gemacht haben Stolz zeigt ihm ein junger Afghane einige Fotos auf seinem Handy: Bilder von Häusern, an denen er einst mitgebaut habe.

Wer die Szenerie beobachtet, bemerkt, dass es viele Fragen gibt - auf beiden Seiten. Fragen nach den Beweggründen, sich auf eine solch beschwerliche und oft gefährliche Reise nach Deutschland zu begeben, und Fragen, wie das Leben in Europa im Alltag funktioniert. Oftmals stoßen beide Parteien dabei an Grenzen, weil das Englische oder das Deutsch doch nicht reicht. Doch für die ersten Schritte aufeinander zu reichen auch Gesten und ein Lächeln. Einige Ickingerinnen zwei jungen Frauen das Stricken bei, schnell lernen alle, den Faden um die Nadel zu schlingen und durch die Maschen zu ziehen. Neben ihnen wird "Mensch ärgere dich nicht" gespielt und wieder andere erproben stolz ihre ersten Wörter auf Deutsch.

"Ist doch wunderbar", freut sich Lisa Häberlein und findet: "Auf die Idee einer solchen Teestube hätten wir eigentlich schon früher drauf kommen können."

Die Teestube im Ickinger evangelischen Gemeindehaus, Wadlhauser Str. 3, hat dienstags von 15 bis 18 Uhr, donnerstags von 17 bis 20 Uhr und freitags von 10 bis 12 Uhr geöffnet.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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