Icking:Ein Werk voll Blut und Wunden

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Die Künstlerin Elisabeth Biron von Curland hat in ihrem Dorfener Atelier den weltberühmten Isenheimer Altar nachgemalt. In der Karwoche wird er in der Kirche Sankt Michael in Wolfratshausen zur Meditation einladen

Von Alexandra Vecchiato

Rausch, Meditation und Gebet war für die Künstlerin Elisabeth Biron von Curland der Schaffensprozess. Für die Karwoche hat sie eine Kopie des Isenheimer Altars angefertigt, die in St. Michael in Wolfratshausen zu sehen sein wird. (Foto: Hartmut Pöstges)

Sein Leib ist zerschunden von den vielen Geißelschlägen. Ausgemergelt hängt er am Kreuz, seine Hände seltsam verkrampft gen Himmel gerichtet. Es ist nicht der strahlende Sohn Gottes, den der Maler Matthias Grünewald dem Betrachter auf dem Isenheimer Altar präsentiert, auch nicht jener distanziert im Sterben Entrückte. Dieser Mann hat furchtbar gelitten, um die Sünden der Menschen auf sich zu nehmen. Mit seiner für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts außergewöhnlichen Bildsprache zählt der Wandelaltar zu den bedeutendsten Werken der Malerei. Heute steht der Altar ohne seinen ursprünglichen Kontext und in Einzelteile getrennt im Musée d'Unterlinden in Colmar. An Faszination hat er dennoch nicht eingebüßt. Die Künstlerin Elisabeth Biron von Curland hat von ihm nun eine Kopie angefertigt, die in der Karwoche in St. Michael in Wolfratshausen zu sehen sein wird.

Zweieinhalb Monate hat die Künstlerin in ihrem Dorfener Atelier an den drei riesigen Tafeln gemalt. Es sei ein Rausch gewesen, sagt sie, und zugleich eine Meditation. Allerdings handelt es sich bei ihrem Werk nicht um eine Eins-zu-eins-Kopie. Der Altar ist ein wenig kleiner, weil er sonst nicht in der Michaelskirche Platz gefunden hätte. Auch habe sie sich eine "künstlerische Freiheit" erlaubt, erzählt Elisabeth Biron von Curland. Nicht mit Öl auf Holz oder Leinwand habe sie gearbeitet, sondern mit Pastell auf Papier. Das gibt ihrem Werk einen matten, sehr speziellen Charakter.

An eine Eigeninterpretation des Isenheimer Altars mit anderen Materialien und Farben oder in moderner, verfremdender Bildsprache habe sie keine Sekunde gedacht: "Ich wollte dienen und nicht mich in den Vordergrund stellen." Die Figur Christi habe sie bis zuletzt aufgespart. "Danach wollte ich auch nicht mehr weitermalen."

Die Idee, den Isenheimer Altar nach Wolfratshausen zu "holen", hatte Pfarrer Florian Gruber. "Die Kreuzigungsdarstellung ist eines der deeindruckendsten Bilder zur Passion überhaupt", sagt er. Schon während des Studiums sei er mit dem Kunstwerk in Berührung gekommen. Für die nächste Veranstaltung in der Reihe "Begegnungen" wollte Gruber daher den Isenheimer Altar in den Mittelpunkt einer Meditation zur Karwoche stellen. Elisabeth Biron von Curland wurde gebeten, einen Vortrag zu halten. Doch die Künstlerin malte lieber. Zur Freude Grubers: "Dieses Mammutwerk ist ein tolles Geschenk." Der mit Wunden und Pusteln übersäte Körper Jesu - der Isenheimer Altar stand ursprünglich im Antoniter-Kloster in Isenheim, in dem an Mutterkornvergiftung Erkrankte sowie Pestkranke gepflegt wurden - sei beredtes Zeichen dafür, dass "Christus bei uns ist in tiefster Not", sagte Pfarrer Gruber.

Wer das Werk betrachten möchte, ehe es seinem Weg von Dorfen nach Wolfratshausen findet, hat dazu am kommenden Sonntag Gelegenheit. Elisabeth Biron von Curland lädt gemeinsam mit ihrer Tochter Christiana unter dem Titel "Trauer im Licht. Gedanken und Bilder zur Karwoche" in das Atelier in Dorfen ein. Neben der Kopie des Isenheimer Altars präsentiert Christiana Biron von Curland 20 Collagen zum Thema. Diese Collagen setzen sich aus Schnipseln aus Kunstkatalogen und Magazinen wie Geo und National Geographic zusammen, gepaart und ergänzt mit eigenen Zeichnungen, getrockneten Blumen oder Röntgenbildern. "Ich bin für vieles offen", sagt die Grafikdesignerin und Künstlerin Christiana Biron von Curland, die sich nach dem Jugoslawien-Krieg fünf Jahre in Sarajewo aufhielt, um die Kunstszene mit aufzubauen. "Meine Mutter war meine erste Lehrerin. Wir harmonieren sehr gut und respektieren einander."

"Trauer im Licht. Gedanken und Bilder zur Karwoche" am Sonntag, 13. April, 14.30 bis 18 Uhr, Atelier, Münchener Straße 7, in Dorfen; "Begegnungen. Meditation zur Karwoche" am Montag, 14. April, 15 Uhr, St. Michael in Wolfratshausen.

© SZ vom 07.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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