Icking:Ein hohes Maß an Mitgefühl

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Auch Männer verfügten über soziale Kompetenz, sagt Alfred von Hofacker. Sie sollten auch mehr soziale Aufgaben übernehmen. Hofacker selbst tut das auf vielfältige Weise. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Jurist Alfred von Hofacker ist Sohn eines Widerstandskämpfers und tritt als Zeitzeuge auf. Geehrt wird er aber für seine Arbeit als Sterbebegleiter im Hospizverein

Von Claudia Koestler, Icking

Die Frage hat sich Alfred von Hofacker selbst unzählige Male gestellt: Wie wäre sein Leben verlaufen, wenn sein Vater nicht im Widerstand gegen die Nationalsozialisten ermordet worden wäre? Der Luftwaffenoffizier Cäsar von Hofacker, ein Cousin Stauffenbergs, hatte das gescheiterte Attentat auf den Diktator Adolf Hitler am 20. Juli 1944 mit geplant und wurde deshalb am 20. Dezember 1944 hingerichtet. Das prägte das Leben seiner Familie. Auch, weil sie in Sippenhaft genommen wurde und der neunjährige Alfred von Hofacker ins Kinderheim Bad Sachsa kam.

Doch er stellt sich Themen, die andere vielleicht zu verdrängen suchen könnten. Ein besonderes soziales Engagement und ein großes Maß an Empathie ziehen sich zudem wie ein roter Faden durch das Leben des heute 81-jährigen Ickinger Juristen: Er tourt durch Schulen und lässt Kinder und Jugendliche als Zeitzeuge teilhaben an seinen Erfahrungen im Dritten Reich. Seit 45 Jahren ist er obendrein als Mitglied der SPD politisch aktiv. Aktuell engagiert er sich in der Flüchtlingshilfe und betreut mit seiner Frau eine syrische und eine nigerianische Familie. Die Isar-Loisach-Medaille, mit der von Hofacker am Donnerstag ausgezeichnet wurde, ist indes ein Dank des Landkreises für ein weiteres Ehrenamt, nämlich sein jahrzehntelanges Engagement als Hospizhelfer.

Nicht nur unterstützt er als Sterbebegleiter Menschen am Ende ihres Lebens und deren Angehörige. Der Rechtsanwalt berät zu Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten. Er war langjähriges Mitglied im Vorstand des Christophorus-Hospiz-Verein, dort auch als Koordinator der Hospiz-Begleiter tätig und war zudem beteiligt am Aufbau der Palliativstation an der Wolfratshauser Klinik. Bis heute vertritt er den Hospiz-Verein dort in der Ethik-Kommission.

Zum Christophorus-Hospiz-Verein kam Alfred von Hofacker 1998: Er besuchte einen Vortrag in seinem Heimatort über dessen Arbeit. Neugierig, wie er bis heute sei, habe er gedacht: "Ich höre mir das mal an, darüber weiß ich noch zu wenig." So erfuhr er von einem Ausbildungskurs zum Sterbebegleiter. Er meldete sich an und fand sich in einem Kreis von mehr Damen als Männern wieder. "Ich erwähne das deshalb, weil ich immer heftig an meine Geschlechtsgenossen appelliere, endlich auch mehr soziale Aufgaben anzugehen. Männer haben sehr wohl eine soziale Kompetenz", sagt er.

In der Ausbildung habe er sehr viel gelernt über Selbstwahrnehmung. "Auch wenn mir manches Mal der kalte Schweiß auf die Stirn trat, wenn mir entgegengebracht wurde, Alfred, lass mal den Kopf beiseite und entscheide aus dem Bauch raus. Das war für mich als Jurist eine Überwindung", sagt er und lacht. Achtsames Zuhören aber sei auch als Rechtsanwalt wichtig: "Man muss dem Klienten gelassen Zeit geben, seine Probleme darzulegen. Das ist sehr hilfreich, weil wir als Hospizhelfer begleiten und nicht führen." Jede Begleitung sei eine Besonderheit, und es sei nicht immer eine todtraurige Erfahrung, versichert er: "Es gibt Beispiele, die einen durchaus Mut machen können."

Da war etwa ein junger Handwerker, der den Wunsch hatte, noch einmal alle seine Baustellen zu sehen. Mit ihm fuhren die Helfer zwei Stunden durch den Landkreis und konnten ihn letztlich glücklich gehen sehen. Bei Menschen, bei denen das Kurzzeitgedächtnis aufgrund altersbedingter Demenz nicht mehr funktioniere, tue er sich als älterer Helfer leichter. "Mit einer alten Bäuerin etwa konnte ich mich gut unterhalten, wo es nach dem Krieg Sauerampfer gab oder Beeren". Zudem seien die Hospizhelfer eng verbunden und unterstützten sich gegenseitig: "Wir können reden und wir können feiern".

Und doch, immer wieder tauche die Frage auf: Hängt sein außerordentliches Engagement auch mit dem Tod des Vaters zusammen? "Mir gehen die Gedenkfeiern am Plötzensee immer sehr, sehr nahe. Weil ich mich frage, wie hat mein Vater seinen letzten Weg angetreten? Vielleicht versuche ich darüber etwas zu erfahren in der Sterbebegleitung, weil ich keinerlei Zeugnisse darüber habe, wie er sein Leben vor der Hinrichtung zugebracht hat. Vielleicht ist da tatsächlich ein Zusammenhang, der mich im Unterbewusstsein begleitet." Klar aber sei ihm aber: "Begleiten, in Kontakt treten, unterstützen und vermitteln, das sind mir im Leben einfach Anliegen."

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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