Icking:Bestens eingespielt

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Ingolf Turban (links) und Lukas Maria Kuen beglückten das Publikum in Icking. Rechts Veranstalter Christoph Kessler. (Foto: Hartmut Pöstges)

Geiger Ingolf Turban und Pianist Lukas Maria Kuen brillieren in Icking mit romantischen Werken

Von Reinhard Szyszka, Icking

Der Mann ist ein Phänomen. Zwischen zwei anspruchsvollen Soloauftritten mit dem BR-Sinfonieorchester schiebt der Pianist Lukas Maria Kuen mal eben einen Violine-Klavier-Abend ein. Am Vorabend war der Künstler noch in der Münchner Philharmonie zu hören; am nächsten Morgen steht eine Matinee im Wiener Musikvereinssaal an. Aber das hindert ihn nicht daran, gemeinsam mit Ingolf Turban in Icking aufzutreten.

Dabei sind die Klavierparts der Werke, die Turban und Kuen aufs Programm gesetzt hatten, alles andere als simpel. Die Komponisten der Romantik, egal ob sie von der Geige oder vom Tasteninstrument her kamen, spickten ihre Partituren mit pianistischen Schwierigkeiten aller Art. Kuen schaffte es, alle technischen Finessen zu meistern und doch kammermusikalisch zu bleiben, sich weder unangemessen in den Vordergrund zu drängeln noch auf farbloses Begleiten zu beschränken. Kurz: ein Klavierpartner, wie ihn sich ein Geiger nur wünschen kann.

Es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man Ingolf Turban vorstellen. Der Geiger ist in den Konzertsälen der Welt zu Hause, doch seinen Lebensmittelpunkt hat er in München, und immer wieder lässt er sich im Münchner Umland hören. Sein sympathisches Auftreten ohne Starallüren verschafft ihm zusätzliche Bonuspunkte beim Publikum. So war es kein Wunder, dass der Rilke-Konzertsaal in Icking bei Turbans Auftritt am Samstag so voll war wie noch selten. Die Zuhörer wurden nicht enttäuscht.

Turban und Kuen eröffneten ihr Programm mit der Sonate für Violine und Klavier von César Franck, einem Gipfelwerk der französischen Spätromantik, das alle harmonischen Komplikationen vermeidet und ganz auf Klarheit und Melodik setzt. Der Geiger begann sanft, fast verträumt, schien den Klängen nachzulauschen. Doch bei den langsamen Sätzen bewies er, dass er auch energisch zupacken kann. Gerade bei dieser Sonate ist der Klavierpart äußerst anspruchsvoll, an manchen Stellen sogar ausgesprochen virtuos gesetzt, und Kuen erwies sich als ein mit allen Wassern gewaschener Pianist, der gemeinsam mit Turban zu einer überzeugenden Interpretation der Sonate gelangte.

Dann folgte das "Poème élégiaque" von Eugène Ysaÿe, der bis heute eher als Violinvirtuose denn als Komponist bekannt ist. Dementsprechend ist der Violinpart dieses Werks sehr viel virtuoser gestaltet als bei Fauré, ohne dass der Klavierpart darüber vernachlässigt würde: Anspruchsvolle Stellen für das eine und für das andere Instrument wechseln einander ab. Hier durfte Turban zeigen, was er kann. Er schwelgte geradezu in rasenden Läufen, Doppel- und Dreifachgriffen, Trillerketten und anderen geigerischen Extravaganzen, die Ysaÿe sich selbst auf den Leib geschrieben hat. Auch Kuen glänzte mit Klavierpassagen, die eines Franz Liszt würdig gewesen wären. Großer Beifall und Bravorufe.

Nach der Pause ging's weiter mit Schumanns Violinsonate in d-Moll, einem Werk fernab der Virtuosenliteratur, dennoch für beide Spieler schwer. Turban und Kuen setzten auf ausgewogene Kammermusik und ließen sich gegenseitig den Vortritt, wann immer der jeweils andere etwas musikalisch Wesentliches zu "sagen" hatte. Gerade hier merkte man, wie gut Geiger und Pianist harmonierten - als seien sie ein jahrzehntelang eingespieltes Duo.

Den Abschluss bildeten Paganinis Variationenzyklus "Le streghe" ("Die Hexen"). Und wer bis dahin geglaubt hatte, ein Meister wie Ingolf Turban würde selbstverständlich auf einer Stradivari oder Amati spielen, sah sich nun eines Besseren belehrt. Turban erläuterte dem verdutzten Publikum, dass er das bisherige Programm auf einer Geige aus dem Jahr 2009 bestritten hatte; für den Paganini aber wechselte er auf ein zwei Tage altes Instrument, auf dem er nur anderthalb Stunden lang geprobt hatte. Und siehe da: das Experiment gelang. Der Geiger servierte die horrenden Schwierigkeiten Paganinis mit einem Lächeln, quasi mit der linken Hand. Großer Applaus; die Künstler bedankten sich mit einem schlichten, ruhigen Stück von Gabriel Fauré.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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