Kommune in den 80ern:Schäftlarn in Orange

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In den 80er Jahren gründeten Sannyasnis eine Kommune in Hohenschäftlarn. Ihre Geschichte erscheint nun im Kino. Was ist geblieben von "Ober-Gurus" und der "wuidn Hüttn"? Eine Spurensuche.

Bernhard Lohr

Ursula Dallas vom Kiosk an der Schäftlarner Bahnschranke springt sofort auf das Thema an. Oh ja, sagt sie, der Film "Sommer in Orange", wecke Erinnerungen in ihr. Anfang der 80er Jahre hatte sich eine Gruppe von Bhagwan-Anhängern in einem Haus in Hohenschäftlarn niedergelassen. Frauen und Männer trugen orangefarbene Gewänder, propagierten die freie Liebe und passten gar nicht ins traditionell geprägte Dorf mit seinen Burschen und Mädchen in Tracht.

Ein Bursche mit Lederhose, Hut und Gamsbart ging für ein paar Jahre weg. Als er zurückkam, trug er Orange und gründete mit Gleichgesinnten eine Kommune. Szene aus "Sommer in Orange". (Foto: dapd)

Dabei brachte einer der ihren die Sannyasins damals nach Schäftlarn. Ursula Dallas kramt ein altes Foto heraus, auf dem ein Bursch mit Lederhose, Hut und Gamsbart beim Maitanz auf der Bühne steht. Er ging für paar Jahre weg. Als er zurückkam, trug er Orange. Mit Gleichgesinnten gründete er die Kommune und viele verstanden fortan die Welt nicht mehr.

An diesem Donnerstag lief der Film "Sommer in Orange" in den Kinos an, für den die Schäftlarner Sannyasin die Vorlage lieferten. Drehbuch-Autorin Ursula Gruber lebte als Kind bei diesen und verarbeitete im Film ihre zum Teil bitteren Erfahrungen eines Außenseiterdaseins. Eine große Rolle spielt der Kontrast zwischen den Vorstellungen der Dorfbewohner und dem provozierend anderen Auftritt der Kommunarden, die wie viele damals den Lehren des indischen Bhagwan Shree Rajneesh anhingen.

Heute regt sich darüber freilich keiner mehr auf. Ursula Dallas erzählt amüsiert, wie der Ober-Guru, wie sie ihn nennt, mit seinem Amulett um den Hals an die Isar runter ging. Dann habe er seinem Bhagwan wieder die Isarauen gezeigt, erzählt sie. Acht bis zehn Leute hätten in dem Haus gelebt, darunter viele Österreicher.

Für Ursula Dallas' Schwester Elisabeth ist das Haus, das an der Johann-Baptist-Straub-Straße gelegen sei, einfach eine "wuide Hüttn" gewesen. Dass im Film der Bürgermeister als jemand dargestellt wird, der sich über deren Bewohner echauffiert, irritiert sie. Das ist nach ihrem Geschmack zu viel der Aufregung. Der habe sich um die nicht groß geschert, sagt sie. Aber gut, das sei wohl der filmischen Freiheit geschuldet.

Ein altes Haus am Waldrand

Tatsächlich klingt in den Erzählungen der Schäftlarner alles entspannter, als es im Film rüberkommt. In dem steht in einer Szene eine Mutter mit ihrem Sohn im Metzgerladen verstört vor einem RAF-Fahndungsplakat, wo die Gesuchten so lange Haare haben wie die komisch-verdächtigen Neu-Schäftlarner. Einer spricht von "Teufelsanbetern", der andere von Terroristen und als dann ein Sannyasin freundlich nickend zur Ladentür hereinkommt, schreckt die Frau zusammen. Schließlich steht auf dem Plakat: Vorsicht Schusswaffen.

In Wirklichkeit war der Bauernhof aus dem Film ein altes Haus am Waldrand. Aber was sonst so alles war, ist von den Menschen im Dorf gar nicht so leicht zu erfahren. Denn der Tipp, man solle mal mit dem Briefträger von früher reden, der müsse einiges wissen, führt nicht weiter.

Josef Arnold sitzt vor seinem Bauernhaus, nippt an einem Becher Kaffee, und sagt, als er auf die Kommune angesprochen wird, Bürgermeister Matthias Ruhdorfer habe bei ihm deshalb auch schon angerufen. Aber: "Ich könnte gar nichts sagen." Für einen Postler ende der Einblick am Gartenzaun. "Ich hab' die Leute gar nicht gekannt." Dass in dem frei komponierten Film der Postbote sogar eine Rolle spielt, muss freilich auch nichts bedeuten.

"Es waren halt Aussteiger"

Andererseits wohnte zeitweise auch in Neufahrn links der Isar eine Sannyasin-Familie. Anton Höck, Autor der Ortschronik, erinnert sich an die Leute, die ins Austrag-Häusel beim Bauern Lang eingezogen waren. "Es waren halt Aussteiger", sagt Höck lapidar. Und Katharina Christ, die Nachbarin von damals, erzählt, wie die Nachbarskinder mit ihren Kindern gespielt hätten und vor allem, wie sie sich gefreut hätten, bei ihnen mal Fleisch zu essen. "Das gab es bei denen nicht."

Von den Aussteigern von damals ist außer blassen Erinnerungen nichts geblieben. Es gibt höchstens sowas wie ihre Erben. Vor dem Bioladen Biosfaire in Höhenschäftlarn steht ein alter Mercedes Benz-Kombi. Der Schriftzug "Cultivar Amor" ist darauf zu lesen und manches, was nicht zu entziffern ist. Früher kurvten Hippies und Aussteiger mit sowas herum.

Und ein bisschen passt das auch zu Mona Fischer, der Eigentümerin des Bioladens. Sie haben die frühen 80er mit ihren Atomkraftprotesten und Müsli-Freaks geprägt. Die Bhagwan-Bewegung erlebte sie am Rande. Von den Schäftlarner Sannyasins habe sie gar nichts gewusst, sagt sie, während ihre Mitarbeiterin Nuraij Güclu hinter der Ladentheke sinniert, wie es wäre, in einer Kommune zu leben. "Sehr stressig", sagt sie, "nur mit ausgesuchten Leuten."

© SZ vom 19.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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