Hindenburg-Büste:Anhaltendes Zwielicht

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Im Herbst stand Dietramszell wegen des Umgangs mit den Ehrenbürgern Hitler und Hindenburg international in der Kritik. Inzwischen verblasst die Erinnerung an diesen Skandal, die Konzeption einer Infotafel stockt

Von Petra Schneider

Trotz des internationalen Aufsehens, das die Gemeinde Dietramszell im Herbst wegen ihres unentschlossenen Umgangs mit Hitler und Hindenburg als ihren einstigen Ehrenbürgern erregt hatte, kommt sie mit dem Aufarbeiten ihres NS-Erbes kaum voran. Die Konzeption einer aufklärenden Infotafel an der Hindenburgbüste fehlt; es hakt an der Kommunikation und mangelt an Vorgaben.

Im November war im Rahmen eines Runden Tisches vereinbart worden, die Büste des umstrittenen Feldmarschalls und Reichspräsidenten, der jahrelang Jagdurlaube in Dietramszell verbrachte, mit Erläuterungen zu versehen. Bürgermeisterin Leni Gröbmaier (BLD) hatte den Tölzer Archivar Sebastian Lindmeyr und dessen Dietramszeller Kollegin Agnes Wagner beauftragt, zunächst getrennt voneinander Vorschläge zu erarbeiten und sich dann abzustimmen. Auch die Salesianerinnen im Kloster, an dessen Außenmauer die Büste angebracht ist, sollten einbezogen werden. Für die Bürgermeisterin gilt diese Vereinbarung nach wie vor. "Wir brauchen doch zuerst einen Vorschlag, über den wir dann reden können." Bisher sei bei ihr aber nichts eingegangen.

Oberin Schwester Kiliana hat schon lange nichts mehr von einer Infotafel gehört: "Da herrscht Funkstille." Offenbar auch zwischen den beiden Archivaren. Lindmeyr sagt, er habe Wagner eine E-Mail geschickt, aber keine Rückmeldung erhalten. Konkrete Vorgaben über Form und Umfang des Infotextes gebe es nicht. "Von mir kommt da jetzt keine Initiative mehr." Er wolle sich nicht vordrängen, sagt Lindmeyr - obwohl er mitten im Thema stecke und relativ schnell einen Text liefern könnte. Er ist Mitglied des Tölzer Arbeitskreises, der ein begehbares Mahnmal an der dortigen Hindenburgstraße konzipiert. Dieses Projekt geht zügig voran: Zehn Texte hat der Arbeitskreis erstellt, die derzeit gegengelesen werden.

In Tölz sei die Sachlage anders als in Dietramszell, sagt Gemeindearchivarin Wagner. "Da hat das Thema schon einen längeren Vorlauf, und es gibt einen Stadtratsbeschluss." Sie habe sich Gedanken über ein Konzept gemacht. "Aber beim Runden Tisch hieß es: Nicht vor der Wahl." Nun warte sie auf einen offiziellen Auftrag vom Gemeinderat. "Ob wir eine Infotafel an der Hindenburgbüste anbringen, können doch nicht einfach irgendwelche Leute bei einem Runden Tisch entscheiden."

An dem Treffen hatte neben Gröbmaier und den beiden Archivaren auch der Dietramszeller Autor Peter Probst teilgenommen. Er ist ebenfalls Mitglied des Tölzer Hindenburg-Arbeitskreises und wundert sich, dass in Dietramszell nichts vorangeht. Zumal sich die Enthüllung der Büste heuer zum 75. Mal jährt: Am 22. August 1939 wurde sie unter großem Nazipomp eingeweiht - für Probst ein idealer Zeitpunkt, um mit einer Infotafel die damaligen Ereignisse zu kommentieren. "Ich hoffe, dass der neue Gemeinderat die nächsten Schritte unternimmt", sagt er. Wenn nicht, müssten die Bürger aktiv werden.

Die Montessorischule im Kloster hat angeboten, im Rahmen einer Projektarbeit an der Infotafel mitzuarbeiten. "Aber auf uns ist noch niemand zugekommen", sagt Schulleiter Michael Rettinger. Ein Schüler habe sich für seine Prüfung zum Mittleren Schulabschluss das Thema Hindenburgbüste ausgesucht und im Tölzer Archiv recherchiert. Rettinger sieht die Büste als wichtigen "Lernort" für einen "lebendigen Geschichtsunterricht". Deshalb solle sie an der Klostermauer bleiben.

© SZ vom 17.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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