Gewerbegebiet Wolfratshausen:Grenzen des Wachstums

Lesezeit: 4 min

In Wolfratshausen haben Unternehmen kaum Platz und Entwicklungsmöglichkeiten. Um das zu ändern, sollen sie nun höher bauen dürfen. Wirtschaftsvertreter wünschen sich ein interkommunales Gewerbegebiet mit Geretsried. Die Stadt will das letzte freie Areal jedoch aufheben

Von Konstantin Kaip

Wolfratshausen - Wenn der Wolfratshauser Wirtschaftsreferent Helmut Forster (BVW) am Dienstag im Stadtrat seinen jährlichen Bericht hält, wird der wohl ähnlich klingen wie das, was er schon bei der Jahreshauptversammlung der Bürgervereinigung gesagt hat: Die Stadt habe "zwei florierende Gewerbegebiete" und verfüge über Firmen, die "zwischenzeitlich großen Weltruf" genießen. Dass es in Wolfratshausen mehr Einpendler als Auspendler gebe, spreche für ein gutes Niveau des Wirtschaftsstandorts. 2045 Gewerbebetriebe gibt es laut Forster derzeit in der Stadt, die Zahl steige langsam an. Für den ehemaligen Bürgermeister ist das ein guter Stand für eine Stadt mit begrenzten Möglichkeiten, aus denen er keinen Hehl macht. Wolfratshausen habe schließlich das zweitkleinste Gemeindegebiet im Landkreis, mit gerade einmal 6,3 Quadratkilometern bebaubarer Fläche, auf denen etwa 19 000 Menschen leben.

Die Firma Hermes Arzneimittel stellt in Wolfratshausen jährlich mehr als eine Milliarde Brause- und Kautabletten her. Nun will sie ihr Produktionsgebäude vergrößern. (Foto: Hartmut Pöstges)

Laut Forster gibt es "sehr viele Anfragen" von Unternehmen, die die Stadt leider ablehnen müsse, weil die nötigen Flächen nicht vorhanden sind. "Extrem interessante Firmen", die Grundstücke von 20 000 Quadratmetern suchten. "Diesen Wunsch können wir leider nicht erfüllen." Das gilt auch für das Logistikunternehmen Loxxess, das 2017 mit etwa 70 Mitarbeitern nach Geretsried umgezogen ist. Dort gab es auf dem Gewerbegebiet Gelting II ausreichend Platz für das neue 28 000 Quadratmeter große Firmengelände. Am alten Standort im Wolfratshauser Gewerbegebiet sind nur noch zehn Mitarbeiter beschäftigt, die ein Hochregallager für die Haupt Pharma unterhalten. Im Laufe des Jahres wird das Gewerbegebiet einen weiteren großen Arbeitgeber verlieren: Die Dürr Systems GmbH verlagert ihren Betrieb an den Stammsitz in Baden-Württemberg - aus organisatorischen Gründen, wie es aus der Zentrale heißt.

Um den Unternehmen mehr Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen, hat der Stadtrat kürzlich beschlossen, den Bebauungsplan für das Gewerbegebiet am Hans-Urmiller-Ring zu ändern: Künftig sollen dort, je nach Lage gestaffelt, bis zu sechs Stockwerke erlaubt sein - bisher sind es maximal vier. Die Nachricht habe "durchaus zu Anfragen geführt", sagt Susanne Leonhard vom Bauamt. Anträge auf Aufstockung könnten aber erst gestellt werden, wenn der geänderte Bebauungsplan vorliege - "frühestens in einem Jahr". Den Wunsch nach Wachstum zeigt auch die Hermes Arzneimittel GmbH, die an ihrer Produktionsstätte im Wolfratshauser Gewerbegebiet jährlich mehr als eine Milliarde Brause- und Kautabletten herstellt. Das Unternehmen will ein Produktionsgebäude erweitern, das dann die derzeit noch zulässige Höhe überschreitet. Der Bauausschuss hat dem zugestimmt.

Für Christian von Stülpnagel war die Bebauungsplanänderung "überfällig". Wolle man den Flächenfraß verhindern, müsse man in die Höhe gehen, sagt der Vorsitzende der Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen (UWW). Für das kleinere Gewerbegebiet am Bürgermeister-Finsterwalder-Ring sollte es seiner Meinung daher ebenfalls einen neuen Bebauungsplan geben. Auch Reinhold Krämmel hält die Neuregelung für sinnvoll. Der Bauunternehmer, dessen Firmanhauptsitz am Hans-Urmiller-Ring liegt, teilt allerdings auch die im schon im Stadtrat angeklungenen Bedenken, was den Verkehr betrifft. Die "Spielstraßen", die vor etwa 30 Jahren im Gewerbegebiet entstanden seien, hätten schon "Mühe und Not, die bestehende Frequenz aufzunehmen", sagt er. "Es gibt immer einen Zusammenhang zwischen Hochbau und Verkehr." Deshalb begrüßt Krämmel die Entscheidung des Stadtrats, den Verkehrsplaner Helmuth Ammerl mit einer umfassenden Prognose zu beauftragen, um ein Konzept zur Verkehrsentlastung zu entwickeln. "Das geht aber nur im engen Schulterschluss mit Geretsried." Dass das auch der Stadtrat erkannt habe, sei ein gutes Signal. Man müsse aber gemeinsam eine Lösung vorantreiben. "Die Verkehrsinfrastruktur ist kein lokales, sondern ein regionales Thema", sagt Krämmel, der auch Vorsitzender des Regionalausschusses bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) ist.

Die Unternehmervertreter sehen auch die Entwicklung des Gewerbestandorts nicht in kommunalen Grenzen. Krämmel und Stülpnagel plädieren auch dort für eine Kooperation mit Geretsried - und ein interkommunales Gewerbegebiet an der Gemeindegrenze gegenüber von Waldram. "Das ist die natürliche Schnittstelle", sagt Krämmel. "Aber es gibt historische Nicklichkeiten, die dazu führen, dass man verstimmt ist, statt zu sehen, wie man es besser machen kann." Auch Stülpnagel sieht in dem etwa 75 Hektar großen, landwirtschaftlich genutzten Areal auf Wolfratshauser Flur "Potenzial" für Gewerbe. "Da ist eine Fläche, die man nutzen kann", sagt er. "Nur Schlafstadt von München wollen wir schließlich auch nicht sein."

Im Stadtrat sieht man das anders. "Wir wollen diese letzte Entwicklungsfläche für künftige Generationen aufbewahren", sagt Forster. Eine Haltung, die auch sein Nachfolger im Bürgermeisteramt teilt: "Ich sehe nicht den Willen, dass man die Fläche sofort überplant", sagt Klaus Heilinglechner (BVW). Zwar könne man den Flächennutzungsplan für das Gebiet ändern, das stehe aber derzeit nicht zur Debatte. "Wir müssen erstmal unsere Hausaufgaben machen", erklärt Heilinglechner in Hinblick auf die Verkehrsentlastung. Zuvor neue Baugebiete zu entwickeln, die den Verkehr noch erhöhten, sei nicht zielführend. "Wir müssen vorsichtig sein in unserer Entwicklung", sagt auch Forster. Er erinnert an den Stadtratsbeschluss von 2003, Wolfratshausen dürfe bis 2020 maximal 20 000 Einwohner haben. "Weil wir es infrastrukturtechnisch sonst überhaupt nicht schaffen."

Dass sich die Entwicklung von selbst reguliert, glaubt Krämmel jedoch nicht - jedenfalls "nicht im Sinne einer ausgewogenen Sozialstruktur", wie er sagt. Kommunen seien daher in der Pflicht, ihre Planungshoheit zu nutzen und Baurecht zu schaffen, um mittleren und unteren Einkommensgruppen mehr bezahlbaren Wohnraum zu bieten. Wirtschaftsreferent Forster verweist bei der Frage nach Standortfaktoren auch auf die geförderten Wohnungen, die auf der Coop-Wiese in Waldram entstehen und geplante Projekte wie das an der Sauerlacher Straße. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten sei die Stadt "auf einem guten Weg" - auch wenn es noch viel zu tun gebe, um mit einem Wohnungsangebot dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Durch die S-Bahn und das Freizeitangebot sei Wolfratshausen für Unternehmen "nach wie vor sehr attraktiv", sagt Forster. Dazu punkte man bei "weichen Standortfaktoren" wie ausreichend Kita-Plätzen und einem guten Kulturangebot. Er halte stets Kontakt zu den Unternehmen und sehe in Wolfratshausen "momentan keine Anzeichen für Abwanderung".

Die von Loxxess vergangenes Jahr hat zwar der Stadt Gewerbesteuern eingebüßt. Für die Mitarbeiter war der Umzug nach Gelting aber "ein Glücksfall", wie Geschäftsführer Helmut Müller-Naumayr sagt. "Wir haben eine Mischung. Es gab immer einen großen Anteil aus Geretsried. Der hat es jetzt näher. Und für die aus Weilheim oder München machen fünf Kilometer keinen großen Unterschied."

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: