Gewagte Modelle:Pool ist cool

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Mit viel Geduld basteln die Kinder und Jugendlichen bei der Projektwoche im Freilichtmuseum Glentleiten an den Modellen für ihr Traumhaus. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Kinder bauen während einer Projektwoche im Freilichtmuseum Glentleiten Traumhäuser

Von Elena Winterhalter, Großweil

Weiß-orange gestreift soll es sein. Mit Keller und zwei Swimmingpools auf dem Flachdach. "So ähnlich wie 'ne Villa" eben und "neben so 'nem Meer". So stellt sich Sama ihr Traumhaus vor. Nach dieser Fantasie und einer selbst entworfenen Skizze gestaltet die Elfjährige die 40 mal 40 Zentimeter große Kartonbox, die vor ihr steht. Aus heller Knete formt sie ein Fensterkreuz, das sie umständlich in das dafür vorgesehene Loch in der Kartonwand friemelt. Es hält - für den Moment. Jetzt der Pool.

Zusammen mit zwölf anderen Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen sechs und 14 Jahren nimmt Sama an einer Projektwoche im Freilichtmuseum Glentleiten teil. Der Titel "Neue Häuser für das Museum" ist Programm, denn die Teilnehmer sollen hier ihr Traumhaus gestalten und anschließend in einer Ausstellung im Eingangsbereich des Museums präsentieren. Nebenbei bekommen sie einen Einblick in die Architektur der Gegenwart und der Vergangenheit. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert, gemeinsam mit dem Bundesverband Museumspädagogik, das Projekt mit dem Programm "Kultur macht stark". Teil davon ist die bundesweite Aktion "Museobilbox - Museum zum Selbermachen", die Museen darin unterstützt, bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche kulturell zu fördern. So entstehen in ganz Deutschland selbstgestaltete Ausstellungsboxen zu unterschiedlichen Themen.

Eben diese quadratische Museobilbox haben die Kinder in den Seminarräumen des Freilichtmuseums jetzt vor sich. Manche der Kleineren haben sich auf einen Stuhl gestellt, um besser von oben an ihrem Wunschraum arbeiten zu können. Vornübergebeugt verschwinden sie bis zu den Schultern in der Box und werkeln geschäftig herum. Andere haben die Öffnung zu sich gedreht und sind bereits dabei, eine zweite Etage einzuziehen. Dabei wird heftig diskutiert, ob sich nun blaues Krepppapier oder ein blauer Spüllappen besser als Pool eignet.

Bevor die jungen Bauherren jedoch loslegten, bekamen sie am Montag zunächst einen Eindruck von der Arbeit eines echten Architekten. Sophie Ruhl, wissenschaftliche Volontärin für Museumspädagogik in Glentleiten organisierte diese Themenwoche. Gemeinsam mit der Sozialpädagogin Regina Vogel und den angehenden Sozialpädagogen Patrick Fissel und Michael Briechle, besuchte die Gruppe ein Architekturbüro und im Anschluss eine Baustelle. Am Dienstag beschäftigten sich die Kinder und Jugendlichen dann mit der Vergangenheit und erkundeten die Bauweise des Freilichtmuseums.

"Die Gruppe, die hier zusammen bastelt, ist sehr spannend", sagt Ruhl. Viele seien über das Caritaszentrum in Garmisch-Partenkirchen dazu gekommen. Andere aus dem Hort der Kinder-, Jugend-, und Erwachsenenhilfe in Murnau. "Das sind Kinder, die sich sonst wahrscheinlich so nie zusammengefunden hätten", so Ruhl. Aber gerade das mache es interessant. So heterogen die Gruppe auch ist, bei einem Thema sind sich fast alle einige: Ein Pool muss dabei sein. Kein Wunder, schließlich schneiden, kleben, und zeichnen die kleinen Künstler bei rund 30 Grad. Die Betreuer Patrick und Michael schwitzen an der Heißklebepistole und beim Türenschneiden mit dem Cuttermesser.

Neben der Erfrischung im Pool hat der neunjährige Hamza noch an ein weiteres Grundbedürfnis gedacht. Auf seinem Miniaturtisch aus Kork liegt ein gräulicher Kneteklecks, der mit Perlen verziert ist - "die Pizza". Sonst ist der Raum noch leer. Sein Haus soll in den Bergen stehen. Um den Ausblick genießen zu können, werde er noch einen Balkon bauen. Nicht zu vergessen den Fernseher aus brauner Knete, den Hamza kurz darauf in einer Ecke des Raumes platziert. Zufrieden, die Hände in die Hüften gestemmt, schaut er von oben in sein Traumhaus, das ganz anders aussehen soll als sein echtes Zuhause.

Max sieht das ähnlich. "Bei uns zu Hause sind die Wände nur weiß und da hängen nicht so viele Bilder", sagt der Siebenjährige und fährt, um den Unterschied klar zu machen, mit der Hand stolz über seine "weiche Wand", die er mit rotem und schwarzem Filz beklebt hat. Trotzdem darf seine Familie in das Haus mit den vielen Bildern an der Wand einziehen. Vier Personen hat er eingeplant. Nachdem er noch geduldig erklärt, wo genau er die Fenster setzen möchte - an jede Wand mindestens eins - muss er aber wirklich los zu Patrick, der die Haustüren in den Karton schneidet. "Sonst ist die Schlange wieder so lang."

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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