Geretsried:"Wenn es geht, will ich die Firma retten"

Lesezeit: 2 min

Als Insolvenzverwalter der vom Listerien-Skandal gebeutelten Großmetzgerei Sieber will Josef Hingerl dafür kämpfen, dass die Produktion wieder aufgenommen wird. Das Gehalt der Mitarbeiter ist drei Monate lang gesichert.

Von Benjamin Engel, Geretsried

Josef Hingerl ist ein erfahrener Spezialist für Unternehmungssanierungen. Am Mittwoch ist der Rechtsanwalt aus Wolfratshausen erst seit einem Tag vorläufiger Insolvenzverwalter der Großmetzgerei Sieber. Dem Unternehmen droht nach der Listerien-Warnung und dem Produktionsstopp der Behörden das endgültige Aus. Doch Hingerl gibt sich kämpferisch: "Wenn es irgendwie geht, will ich die Firma retten", erklärt er. Dreh- und Angelpunkt dafür sei, den Produktionsstopp wegzubekommen. Im Verfahren gibt es für ihn viele Unklarheiten. Die 120 Mitarbeiter der Metzgerei sind derweil freigestellt. Laut Hingerl ist ihr Gehalt aber für die nächsten drei Monate gesichert. Zu möglichen Entlassungen oder Kündigungen äußert sich Hingerl nicht.

Das Unternehmen klagt gegen den Produktionsstopp. Wie Hingerl in einer Erklärung mitteilt, sei eine Entscheidung im Eilverfahren voraussichtlich Ende folgender Woche zu erwarten. Nach einem fünfstündigen Gespräch mit Metzgerei-Chef Dietmar Schach gibt sich Hingerl überzeugt: Die Situation sei mit anderen bekannten Verfahren, beispielsweise bei Müller-Brot und Bayern-Ei, nicht zu vergleichen. "Die Firma hat nach meiner vorläufigen Beurteilung alles getan, um Gefahren für die Kunden zu vermeiden", teilt er mit.

Nun überprüft der Insolvenzberater, inwieweit die Vorwürfe begründet sind. So will er den entstandenen Schaden dokumentieren, sollte das Verkaufsverbot nicht gerechtfertigt sein. Gleichzeitig prüft er die Voraussetzungen, wie die Produktion in Kooperation mit Behörden und einem externen Sachverständigen wieder aufgenommen werden könnte. Eine Gefahr für die Bevölkerung dürfe es nicht geben.

Die Gesundheitsbehörden haben auf zwölf von 80 untersuchten Proben Listerien gefunden, auch auf vegetarischen Aufschnitten. Laut Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit lagen die Belastungen aber unter den Grenzwerten, ab denen Lebensmittel als gefährlich eingestuft werden. Die Behörden halten einen Zusammenhang mit einer Listeriose-Welle in Süddeutschland für wahrscheinlich.

Nach der Insolvenz der Großmetzgerei Sieber zeigt sich der Geretsrieder Wirtschaftsreferent Volker Reeh (CSU) zuversichtlich. Er hofft, dass der Betrieb in irgendeiner Form weitergehen kann. "Eine Insolvenz muss nicht das Ende sein", sagt er. Die Produktionsstätte entspreche modernsten Standards. Womöglich lasse sich der Betrieb erhalten und eventuell mit einem neuen Eigentümer weiterführen. So könnten auch die Arbeitsplätze gesichert werden.

Aus Sicht von Reeh ist der Standort mit seinen modernen Anlagen für viele Betreiber aus der Lebensmittelbranche interessant. So sei es durchaus vorstellbar, dass auch andere Produkte als Fleisch dort verarbeitet und produziert werden könnten. Wichtig sei für ihn, dass es weitergehe. "Es wäre schade um die Produktionsstätte."

Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen 25 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Doch das erlaubt noch keine genauen Rückschlüsse auf die Gewerbesteuereinnahmen für Geretsried. Wie Wirtschaftsreferent Reeh erklärt, seien die Gewinnmargen in der Branche gering. Es werde um jeden Cent gekämpft. Aus Sicht von Bürgermeister Michael Müller (CSU) spielt der Aspekt der Gewerbesteuer für die Stadt eine Rolle. Vorteil für Geretsried sei aber die vielfältige Wirtschaftsstruktur mit unterschiedlichen Branchen und Gewerben.

Hingerl ist in Wolfratshausen auch als Präsident des Golfclubs Bergkramerhof bekannt. 1978 hat er seine Rechtsanwaltssozietät gegründet. Seit Mitte der 1980-er Jahre ist er unter anderem auf die Sanierung von Unternehmen spezialisiert. Auch im Tölzer Landkreis war seine Expertise schon des öfteren gefragt. Bereits zweimal - 2003 und 2009 - hat er die Tölzer Eissportgesellschaft (TEG) aus der Insolvenz und damit den Club der Tölzer Löwen vor dem Aus gerettet. Hingerl gelang es zudem, die Huber Präzisionstechnik GmbH aus Geretsried zu sanieren. 2009 hatte der Hersteller von Motor- und Getriebeteilen für den Rennsport Insolvenz angemeldet. Das Unternehmen florierte danach. Ein österreichisches Unternehmen übernahm den Betrieb im Jahr 2012 und verkaufte diesen ein Jahr später weiter.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: