Geretsried:Stepptanz mit Gemüseraspel

Lesezeit: 2 min

Sonette und Sound: Lehrer Peter Wegele trägt Gedichte vor, seine Musikschüler improvisieren dazu. (Foto: Hartmut Pöstges)

Peter Wegele und seine Geretsrieder Musikschüler spielen und improvisieren zu Lyrik und Nonsens

Von Reinhard Szyszka, Geretsried

"Wenn Musik und Lyrik aufeinandertreffen, dann ist das eine Win-Win-Situation für beide." Mit solchen und ähnlichen Worten erläuterte Peter Wegele, Lehrer an der Musikschule Geretsried, die Idee des Abends, die bewstand darin, dass vier seiner Schüler - Tim Wandke am Klavier, Marc Kaufmann an der Violine, Markus Wagner an der Trompete und Hannes Wagner am Bass - zu vorgegebenen Texten improvisieren, dem Stimmungsgehalt der Worte nachspüren und sie in Musik umsetzen sollten. Dabei wurden die Gedichte nicht nur vorgelesen, sondern zugleich per Beamer an die Leinwand projiziert. Sonette von William Shakespeare hatten die Musiker ausgesucht; hinzu kamen lyrische Texte, die Hannes Wagner selbst geschrieben hatte. Dieser Künstler entpuppte sich wahrhaft als ein Tausendsassa. Er kann hervorragend Klavier spielen; das hat er im November am gleichen Ort eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Diesmal zeigte er seine Fähigkeiten als Dichter wie als Bassist - im Laufe des Abends griff er auch noch zur Blockflöte.

Zu Beginn stand eine Ouvertüre, die Tim Wandke in grafischer Notation komponiert hatte. Das Grafik-Blatt wurde auf der Leinwand gezeigt, der Komponist gab einige Erläuterungen zum Ablauf, dann legten die Musiker los. Und in der Tat half die Grafik dem Publikum bei der Orientierung. Eines der Probleme, die das Verständnis zeitgenössischer Musik erschweren, ist die Abwesenheit von gewohnten Strukturen, so dass der Hörer nicht weiß, an welcher Stelle des Werks er sich gerade befindet. Wenn man solch eine bildliche Darstellung des Ablaufs vor sich sieht, dann kann auch der unvorbereitete Zuhörer dem Stück viel besser folgen. So etwas sollte man öfter machen!

Dann kamen die Gedichte. Die beiden Sonette von Shakespeare wurden natürlich im englischen Original dargeboten; Markus Wagner las die Texte am Mikrofon vor. Das Mikrofon erwies sich allerdings als eher kontraproduktiv für die Verständlichkeit. Nicht nur bei ihm: alle, die im Laufe des Abends Wortbeiträge lieferten, waren ohne Mikrofon besser zu verstehen als mit. Jedenfalls gilt das für den kleinen Ingrid-Obser-Saal in der Musikschule; in großen Hallen schaut die Sache natürlich anders aus.

Peter Wegele gab einige Erläuterungen zu den Sonetten, dann ging es los. Die Musiker improvisierten, und Wegele trug dazu den Text des jeweiligen Sonetts zeilenweise vor. Dabei saß er vor der Leinwand, was ein Nachteil und ein Vorteil zugleich war. Einerseits verdeckte er auf diese Weise einen Teil des Texts; andererseits verschmolzen gerade so die optische und die akustische Komponente des Gedichts zu einer Einheit. Musikalisch gelang die klangmächtige Umsetzung von Eisen, Stein, Erde und Meer im zweiten Sonett besonders eindrucksvoll.

Die zwei Gedichte von Hannes Wagner, die im Wechsel mit Shakespeare musikalisch dargestellt wurden, unternahmen nicht den leisesten Versuch, mit dem großen Engländer in Konkurrenz zu treten. Frei improvisierend, unter gänzlichem Verzicht auf Reim oder Versmaß, reihten sie Begriffe der heutigen Zeit aneinander, manchmal absichtsvoll das unpassende Wort wählend. Diesmal war es Markus Wagner, der die Gedichte zur Musik zeilenweise vorlas, wofür er natürlich mit dem Trompeten pausieren musste. Und im Kontrast zu diesen freien, unrhythmischen Texten wählten die Musiker eine strenge, fast Passacaglien-artige Struktur mit einem Basso ostinato, der sich allerdings gegen Ende des Stücks mehr und mehr auflöste. Bei Shakespeare, dessen Texte strikt der vorgegebenen Form des englischen Sonetts folgen, war die Musik hingegen frei und ungebunden.

Es gab auch eine Zugabe. Wegele ließ sich fünf möglichst unzusammenhängende Begriffe aus dem Publikum zurufen: "Sonnenschein", "Abwasser", "Gemüseraspel", "Trump" und "Stepptanzen". Daraus bastelten die jungen Künstler eilends eine Geschichte: "Trump will das Abwasserproblem in den USA in den Griff bekommen; deshalb veranstaltet er ein Stepptanzen mit Gemüseraspel im Sonnenschein." Dieser Nonsense-Text diente als Vorlage für eine letzte Improvisation; dann war das kaum einstündige Konzert auch schon vorüber.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: