Geretsried:Kritik und Selbstkritik

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Der scheidende Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel bei der Jahresversammlung der SPD

Von Thekla Kraußeneck, Geretsried

Die SPD müsse sich wieder mehr mit Arbeit beschäftigen, auch wenn viele Mitglieder gesicherte Berufe hätten und es sie daher nicht betreffe: Diese Worte hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel an die Geretsrieder Sozialdemokraten bei der Jahreshauptversammlung in den Ratsstuben gerichtet. Es war die letzte Rede des aus dem Bundestag scheidenden Abgeordneten, der im hiesigen Wahlkreis angetreten und über die Landesliste in das Parlament eingezogen war. Barthel hatte sich aus Altersgründen dazu entschieden, sich nicht mehr zur Wahl zu stellen.

Die Armut steige, obwohl die Beschäftigung zunehme, sagte Barthel. Die Arbeitgeber seien daran nicht ganz unschuldig: "Es kann doch nicht sein, dass der Arbeitgeber einerseits über Facharbeitermangel klagt und andererseits die Arbeitnehmer so aussaugt, dass sie mit Anfang 40 arbeitsunfähig sind." Wachsende Ungleichheit und Ungerechtigkeit bestärkten rechtsextreme Strömungen: "Ich sage bewusst nicht Populismus, denn mit dem Volk hat das nichts zu tun. Die tun auch nichts für die Leute." Besonders gut sehe man das an US-Präsident Donald Trump, der nach Amtsantritt als erstes die Abschaffung der Krankenversicherung im Sinn gehabt habe. Die Welt brauche neue Regeln, sagte Barthel. Nur so könne es wieder Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Fortschritt geben. "Wenn wir diesen globalen Kapitalismus nicht zähmen, wird uns alles um die Ohren fliegen."

Gerechtigkeit bedeute für ihn auch, Bildungschancen für alle zu schaffen - nicht nur im Gymnasium oder an der Universität, sondern bereits im Kindergarten. "Die Unterbringung in einer Kita darf am Geld nicht scheitern", sagte Barthel. Außerdem müssten die Hochschulen gestärkt, die Berufsbilder neu geordnet und die Pflege- und Erziehungsberufe modernisiert werden. Im medizinischen Bereich und bei der Rente wollen die Sozialdemokraten ebenfalls Veränderungen erwirken - so sollen die Eigenleistungen bei Brillen und Zahnärzten reduziert werden. Und wer "sein ganzes Leben in die Rente einzahlt, der muss sich darauf verlassen können, dass er auch etwas bekommt".

SPD-Stadtrat Walter Büttner kritisierte, dass es bei der Umsetzung von Gesetzen häufig am "Controlling" mangele. Barthel sagte, dass die SPD Korrekturen ins Programm aufgenommen hätte. Etwa fehle es dem Controlling derzeit an Personal. Auch das Mindestlohngesetz soll angepasst werden, so dass es keine Ausnahmen mehr für Langzeitarbeitslose gebe. Denn bislang sei es leicht, zum Beispiel einen Erntehelfer aus Polen als Langzeitarbeitslosen zu deklarieren. Eindämmen wolle die SPD auch die rasant ansteigende Anzahl von befristeten Arbeitsverträgen. All diese Themen wolle die SPD den Bürgern in den kommenden Wochen vermitteln, sagte der Kreisvorsitzende Wolfgang Werner.

Der Ortsvorsitzende Martin Büttner gab einen Rückblick auf das vergangene Jahr, darunter auf die Feier zum 60. Geburtstag des Ortsverbands. Zweiter Bürgermeister Hans Hopfner blickte in die Zukunft und bestärkte noch einmal die Haltung der SPD-Stadtratsfraktion zu lokalen Dauerthemen: Man stehe zum interkommunalen Hallenbad und treibe es auch voran; die Adalbert-Stifter-Mittelschule werde für insgesamt rund 15 Millionen Euro ertüchtigt werden; und das dann eingehauste Eisstadion soll bis 2019 "in neuem Glanz erstrahlen". Zur Causa Karl-Lederer-Platz äußerte sich Hopfner selbstkritisch. Zwar stehe die Fraktion mehrheitlich zum Bauvorhaben, auch wenn es sich "über die Höhe streiten ließe". Doch Stadt und SPD müssten sich fragen, ob sie alles richtig gemacht hätten. Sie hätten zwar versucht, die Öffentlichkeit mitzunehmen, doch diese habe sich "relativ wenig eingebracht". Hopfner appellierte an die Bürger, sich nun an den Projekten zu beteiligen, die noch in der Pipeline steckten.

Büttner forderte, vor allem auf lokaler Ebene verschiedene Themen im Voraus "positiv zu besetzen", etwa beim monatlichen Stadtgespräch im Café Waldmann in Geretsried. Dies könne man unter den Slogan "Bezahlbarer Wohnraum für alle" stellen.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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