Geretsried:Flügelstürmer

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Talentierte Newcomer am Piano: Tim Wandke (links) und Hannes Wagner. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Tim Wandke und Hannes Wagner glänzen

Von Reinhard Szyszka, Geretsried

Die Werbung hat genützt. Erfreulich gut gefüllt zeigte sich der Ingrid-Obser-Saal in der Geretsrieder Musikschule, wo sich zwei Nachwuchspianisten dem Publikum präsentierten: der 17-jährige Tim Wandke und der 19-jährige Hannes Wagner. Natürlich waren viele Angehörige, Freunde und Mitschüler erschienen, um den beiden Künstlern die Daumen zu drücken. Doch auch etliche Fremde waren gekommen, aus Interesse am pianistischen Nachwuchs. Angekündigt waren nicht nur klassische Werke, sondern auch Eigenkompositionen der beiden Pianisten.

Peter Wegele, der Lehrer von Wandke und Wagner, sprach die Grußworte. Er stellte sich selbst dem Publikum vor, vergaß aber, auch die beiden Musiker vorzustellen. Die jungen Künstler nannten ihre Namen ebenfalls nicht, und das Programmblatt listete nur die Werke auf. Somit mussten sich Außenstehende bis zur ersten Eigenkomposition gedulden, ehe sie sicher wussten, wer denn nun Wandke und wer Wagner war. Als das erste Stück von Tim Wandke an die Reihe kam, war klar: Aha, der Große, das ist Wandke.

Der überwiegende Teil des Konzerts bestand aus zweihändiger Klaviermusik; erst ganz zuletzt fanden beide Pianisten zu gemeinsamem Spiel zusammen. Wandke und Wagner wechselten sich beim Spiel ab und blätterten sich bei Bedarf gegenseitig die Noten um. Tim Wandke eröffnete das Programm mit der d-Moll-Fantasie von Mozart, und es zeigte sich wieder einmal, wie schwer, wie höllisch schwer es ist, Mozart zu spielen, trotz oder gerade wegen des äußerlich schlichten Notentexts.

Als nächstes spielte Hannes Wagner fünf Stücke aus dem Zyklus "Auf verwachsenem Pfade" von Leoš Janáček. Auf dem Programmblatt waren nur die tschechischen Titel angegeben; Wagner mühte sich mit der ungewohnten Sprache ab und las dazu die deutschen Übersetzungen vor. Hier hätte man besser auch die deutschen Titel abgedruckt; Platz genug wäre auf dem Zettel ja gewesen. Wagners Worte waren trotz Mikrofon schlecht zu verstehen, und außerdem kann sich niemand fünf ungewöhnliche Titel wie "Sie schwatzten wie die Schwalben" nach einmaligem Vorlesen merken, um sie dann im Kopf dem richtigen Stück zuzuordnen.

Tim Wandke setzte das Programm fort mit dem Responsorium "O vos omnes" von Carlo Gesualdo, über das er auch improvisierte. Hier zeigte sich erstmals die musikalische Fantasie und Kreativität des jungen Künstlers, wie er fast unmerklich vom vorgegebenen Notentext abwich, seine eigenen Klänge und Melodien einbrachte, um zuletzt wieder in das Original von Gesualdo einzumünden. Dann wieder Hannes Wagner mit zwei argentinischen Tänzen von Alberto Ginastera: Der knochentrockene "Tanz des alten Hirten" gelang dem Pianisten ebenso überzeugend wie der schwerblütige "Tanz der anmutigen Hure".

Nun spielten die beiden Künstler Eigenkompositionen. Hier war es vor allem Tim Warnke, der sowohl mit seiner "Phaneron-Sonate" als auch mit seiner Passacaglia aufhorchen ließ. Bei beiden Werken zeigte er melodischen und harmonischen Einfallsreichtum und gestaltete auch den Gesamtaufbau überzeugend. Ein Komponist, der etwas zu sagen hat! Hannes Wagner ging bei seiner Komposition ganz andere Wege und ließ das Kinderlied "Meine Biber haben Fieber" durch die Musikgeschichte wandern, mit augenzwinkernden Verbeugungen vor Mozart, Schubert, Strawinsky und anderen.

Doch das Beste hatten sich die beiden Künstler für den Schluss aufgespart: "A night in Tunesia" von Dizzy Gillespie, an zwei Flügeln gespielt. Warnke und Wagner stürzten sich mit Spielfreude und Virtuosität in die jazzigen Klänge. Mit leichter, lockerer Hand servierten sie die Musik und hatten dabei noch die Muße, einige Gags einzubauen. Zum allgemeinen Gaudium tauschten sie mehrmals mitten unterm Spiel die Flügel, ohne dass die Musik auch nur eine Sekunde lang aussetzte.

So endete der Abend, der als Schülervorspiel begonnen hatte, als mitreißende und begeisternde Jam Session. Man kann Hannes Kirchhofer vom Vorstand der Musikschule nur beipflichten und den beiden Künstlern alles Gute für ihre musikalische Zukunft wünschen.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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