Geretsried:Drei Flüchtlinge im Hungerstreik

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Aus purer Verzweiflung haben zwei Syrer und ein Palästinenser aufgehört zu essen. Sie warten in Geretsried seit Monaten auf einen Bescheid, ob sie in Deutschland bleiben können

Von Felicitas Amler, Geretsried

Abduljabbar hat einen dreijährigen Sohn und eine acht Monate alte Tochter. Das Mädchen hat er noch nie gesehen. Abduljabbar ist Syrer, 30 Jahre alt und Asylsuchender. Seit neun Monaten wartet er in Deutschland auf Anerkennung. Und bekomme, so sagt er, nicht einmal Antwort. Abduljabbar, sein 25-jähriger Landsmann Mohamad und der 29 Jahre alte Palästinenser Adnan leben in der Containerunterkunft für Asylbewerber am Robert-Schumann-Weg in Geretsried. Seit Montag sind sie im Hungerstreik. Weil sie genug davon haben, keine Antwort zu bekommen.

Michael Foerst, Leiter der Abteilung Soziales in der Tölzer Kreisbehörde, weiß seit Mittwoch vom Hungerstreik der jungen Männer. "Sie werden beobachtet, und falls eine medizinische Versorgung notwendig ist, wird die geleistet", versichert er. Die Protestaktion richte sich gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), und dieses sei auch informiert. In Foersts Stimme schwingt durchaus Verständnis mit, als er sagt, die drei Männer warteten zwischen acht und 18 Monate auf einen Bescheid aus dem BAMF. Natürlich sei dies bedauerlich, andererseits seien solche Zeiten "aus unserer Sicht nichts Unübliches".

Das sehen die drei Hungersstreikenden anders. Halb verwundert, halb verärgert erzählt einer nach dem anderen von Freunden oder Verwandten, deren Asylverfahren schneller abgeschlossen worden seien. Immer wieder die Frage: "Warum bekommen wir keine Antwort?" Zweimal habe er selbst beim Bundesamt nachgefragt, einmal sein Anwalt - nichts, sagt Mohamad.

Abduljabbar ist Elektrotechniker, Mohamad Psychologe, Adnan Bäcker. Alle drei würden liebend gern arbeiten. Wenn schon nicht im erlernten Beruf, dann wenigstens irgendwas, sagt der 30-jährige Syrer. Das sei aber nicht möglich, wenn man immer nur einen Duldungsausweis für zwei oder drei Monate bekomme. Abduljabbar spricht gutes Englisch. Sie seien doch nicht hergekommen, um zu essen, zu trinken und zu schlafen, sagt er. Sie warteten auf die Gelegenheit, sich hier mit Beruf und Familie zu etablieren. "Wir wollen hier anfangen zu leben."

Das weiß auch Suzan Jarrar. Die ehrenamtliche Flüchtlingshelferin kennt die drei jungen Männer. "Sie fühlen sich missverstanden", sagt sie. "Sie wollen nicht auf Kosten anderer leben." Man wisse, dass das Bundesamt zu viele Anträge und zu wenige Mitarbeiter habe. Sie begleite die Flüchtlinge und erlebe, wie sie nervös werden, psychisch krank - Menschen, die ohnehin traumatisiert aus Kriegsgebieten kommen. "Ich verstehe die vollkommen."

Ines Lobenstein, ehrenamtliche Koordinatorin der Flüchtlingshelfer in Wolfratshausen, kennt die Situation genauso gut wie Jarrar. "Ich sehe, wie die Leute leiden", sagt sie. Und spricht von Asylsuchenden, die noch länger ohne den endgültigen Bescheid aus dem Bundesamt für Migration sind: manche seit zwei, einige sogar schon seit drei Jahren. "Vor allem die aus den afrikanischen Ländern, die warten am längsten."

Der Hungerstreik der drei Männer in den Geretsrieder Containern geht still und unspektakulär vonstatten. Keine Kundgebung, keine Transparente, nur drei Männer, die nichts essen, sondern Tee, Wasser und Kaffee trinken. Wie lange noch? Das ist offen, sagen sie. "Wir wollen keine Probleme machen." Nur Antwort bekommen.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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