Geretsried:Die Wehrhaften

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Das Geretsrieder Stadtmuseum zeigt die Wanderausstellung "Was konnten sie tun? Widerstand gegen den Nationalsozialismus". 25 Banner erzählen die Geschichten von Frauen und Männern, die in der dunkelsten Zeit für pazifistische Ziele einstanden

Von Benjamin Engel, Geretsried

Der Satz klingt heute selbstverständlich: "Den Dienst an der Waffe muss ich aus Gewissensgründen ablehnen . . . So halte ich die Waffenrüstungen meines Volkes nicht für einen Schutz, sondern für eine Gefahr." Der Theologe und Staatswissenschaftler Hermann Stöhr (1898-1940) schrieb damit jedoch sein Todesurteil. Er trat während der Nazi-Diktatur für pazifistische Ziele ein. Aus Gewissensgründen lehnte er 1939 die Einberufung zur Wehrmacht ab. Stöhr wurde als Kriegsdienstverweigerer zum Tode verurteilt und am 21. Juni 1940 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Stöhr ist einer von 25 Gegnern des Nazi-Regimes, welche derzeit in der Wanderausstellung unter dem Titel "Was konnten sie tun? Widerstand gegen den Nationalsozialismus 1939-1945" im Geretsrieder Stadtmuseum zu sehen sind. Anhand von Einzelpersonen zeigen die Stiftung 20. Juli 1944 und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand aus Berlin vielfältige Formen, sich dem Nazi-Regime zu widersetzen, ob durch das Verteilen von Flugblättern, Hilfe für Juden, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter oder Umsturzversuche.

Die Schirmherrin Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung, eröffnete am Dienstagabend die Ausstellung. Die 25 Banner der Ausstellung machten mit Heldinnen und Helden bekannt, die exemplarisch für einzelne Aktionsformen des Widerstandes stünden, sagte sie. Diese hätten gehandelt, obwohl das Nazi-Regime jeden Widerstand gnadenlos verfolgte. Ihre Botschaft, dass es in Deutschland noch einen unabhängigen Geist und Menschlichkeit gab, sei wichtig gewesen. Die Widerständler mahnten die heute Lebenden, rechtzeitig wahrzunehmen, wenn Minderheit ausgegrenzt würden, Toleranz verloren gehe und die freie Meinungsäußerung gefährdet sei. Die Ausgangsfrage "Was konnten sie tun" nötige die Besucher, sich mit dem eigenen Verhalten persönlich auseinanderzusetzen, sagte Kronawitter.

Sie erinnerte an die Entwicklung Geretsrieds vom kleinen Dorf mit versteckten Rüstungsbetrieben, Fremd- und Zwangsarbeitern in der NS-Zeit, Heimstätte für Flüchtlinge und Vertriebene und zur prosperierenden Stadt in Oberbayern. Neben Kronawitter sprachen auch Bürgermeister Michael Müller (CSU) und Anita Zwicknagel vom Geretsrieder Kulturamt zur Eröffnung.

Es sind vor allem die Fotos der Widerständler, die im Foyer des Museums auf den ersten Blick haften bleiben. Die Personen scheinen den Besucher direkt anzusehen, ob Stöhr, der etwas scheu lächelnd in die Kamera schaut, oder Student Robert Limpert mit runder randloser Brille, perfekt gescheiteltem Haar und Anzug. Jedem von ihnen ist ein Tafelbanner mit kurzem Lebensabriss gewidmet. Darunter sind bekannte Namen wie Hans und Sophie Scholl von der Weißen Rose, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Henning von Tresckow aus dem Kreis der Attentäter vom 20. Juli 1944 oder der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer.

Doch der Besucher stößt auch auf das Schicksal von Emmy Zehden. Sie gehörte seit 1930 den Ernsten Bibelforschern (Zeugen Jehovas) an. Sie lehnte den Kriegsdienst ab und brachte ihren Neffen dazu, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Weil sie ihn und zwei weitere wehrpflichtige Ernste Bibelforscher versteckte, wurde sie zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Zu sehen ist auch eine Abbildung des Flugblatts von Limpert, mit dem dieser die Bewohner von Ansbach aufrief, die Stadt kampflos den Amerikanern zu übergeben. Als US-Truppen kurz vor der Stadt standen, beobachteten Hitlerjungen, wie er das Telefonkabel zum Gefechtsstand des Ortskommandanten zerschnitt. Sie denunzierten ihn. Ein Standgericht verurteilte ihn zum Tode. Noch am 18. April 1945, wenige Stunden vor Befreiung der Stadt, wurde er hingerichtet.

Die Wanderausstellung ist noch bis 31. Mai im Foyer des Museums der Stadt Geretsried zu sehen.

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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