Geretsried:Die neue Top-Lage in Geretsried

Lesezeit: 3 min

An der Sudetenstraße sei früher alles tot gewesen, erinnern sich Anlieger. Seit dem Neubau von Wohnungen der Baugenossenschaft siedeln sich auch immer mehr Geschäfte an. "Man kann hier alles zu Fuß erledigen", sagt Café-Betreiber Daniele Sangermano

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Geretsried gedeiht. An der Sudetenstraße floriert seit Monaten ein völlig neues Geschäftsleben, ein Café brummt bis in die Nacht, Friseure und Apotheken häufen sich, Reklametafeln leuchten und hinter hohen Glasfassaden offenbart sich eine Fülle an Waren: Lebensmittel in Bio- und Discounter-Qualität, Drogerieartikel, Kleidung und Getränke. Urbanes Flair in einer Ecke, in der bis Ende 2011 noch Häuser aus den Fünfzigerjahren standen, die so sanierungsbedürftig waren, dass ein Neubau der Baugenossenschaft Geretsried wirtschaftlich als die beste Lösung erschien.

Doch der Aufschwung hat auch seine Schattenseiten, unter denen vor allem Anwohner leiden: Der Verkehr habe enorm zugenommen, sagt eine ältere Dame, die anonym bleiben möchte. Sie wohne im Beethovenweg und komme regelmäßig in die Sudetenstraße, um etwas einzukaufen. Gerade für gehbehinderte Menschen wie sie sei die Straßenüberquerung durch den gestiegenen Verkehr gefährlicher geworden. Die Ampel sei zu weit weg, "keiner geht bis da hin", und einen Zebrastreifen gebe es auch nicht. "Da müssen sie sich schon was einfallen lassen", sagt die Frau.

Hilmar Oertel ist nur sporadisch in der Sudetenstraße. Für gewöhnlich gehe er in Gartenberg einkaufen, sagt der 66-Jährige was sich anbiete, weil er dort wohne. Der Kaufland, der dort steht, ist so groß, dass sich mit einem Einkauf so gut wie alles erledigen lässt. Dennoch mache die Sudetenstraße dem von Einfamilienhäusern geprägten Stadtteil in Puncto Attraktivität ordentlich Konkurrenz. "Alle schwärmen immer so von Gartenberg", sagt Oertel, "aber der Neubau hat den Stadtteil hier sehr aufgewertet."

In Gartenberg sind auch Renate und Wilhelm Haberecht bis vor kurzem einkaufen gegangen, wenn sie in der Stadt waren, um die Eltern zu besuchen. Das Paar wohnt in Penzberg; die Eltern der 51-jährigen Renate Haberecht sind Egerländer und haben sich früh in Geretsried angesiedelt. Die Entwicklung der Stadt konnte sie so von klein auf mitverfolgen. Dass die Sudetenstraße einmal so aufblühen würde, das hätte sie sich nie träumen lassen, sagt Haberecht: "So, wie das früher hier ausgeschaut hat!"

Neue Läden, mehr Kunden, mehr Autos. Der Anwohner Klaus Gehrke hatte bereits im Januar 2012 bei einem Stammtisch der Freien Wähler darauf hingewiesen, dass mit den neuen Geschäftshäusern auch der Verkehr zunehmen werde. Ob dadurch wie befürchtet auch die Lebensqualität gesunken ist, hängt anscheinend ganz davon ab, auf welcher Seite der Sudetenstraße man lebt. Während der Verkehrslärm auf der alt bebauten Seite auch durch geschlossene Fenster dringt, lässt er sich in den neuen Appartements ganz gut aussperren. Dort sei es bei geschlossenen Fenstern geradezu still in der Wohnung, sagt die 22-jährige Jaqueline Oberländer, die gerade erst in die Sudetenstraße gezogen ist.

Ebenfalls ein neuer Anwohner ist Thomas Meyndt. "Das wird die neue Stadtmitte, schätze ich", sagt der 30-Jährige. Eine attraktive Adresse also, die auch ihren Preis hat: 810 Euro zahle er für zweieinhalb Zimmer warm. Teuer aber sei relativ - als er auf Wohnungssuche war, sei dies noch eines der günstigen Angebote gewesen.

Zu beobachten ist in der Sudetenstraße eine Häufung von Geschäften derselben Branche. Mit "JackSi" hat der vierte Friseursalon zwischen den Kreuzungen am Stern und am Café Waldmann eröffnet. Die Inhaberinnen Jaqueline und Silvia Oberländer sehen das gelassen: "Jeder Friseur hat doch seine eigene Handschrift." Doch nicht nur die Friseure häufen sich, auch gibt es inzwischen auf einer Strecke von wenigen hundert Metern drei Apotheken. Bald neuer Nachbar der Friseurmeisterinnen: ein Versicherungsmakler - der dritte auf einer noch kürzeren Strecke. Zur Branchenvielfalt wird dafür ein Laden für Computerbedarf beitragen, der demnächst ebenfalls in den Neubau ziehen soll.

Frei von unmittelbarer Konkurrenz ist derzeit Daniele Sangermano, der seit gut einem Jahr die Café-Bar "Da Daniele" betreibt. In seinen Augen ist das neue Zentrum das Beste, was den Anwohnern passieren konnte: "Man kann hier alles zu Fuß erledigen", sagt er. "Vor dem Neubau war hier alles tot." Er profitiere von den benachbarten Läden, habe viel Laufkundschaft, aber auch zahlreiche Stammgäste. Die Lage, so Sangermano, sei alles - und in der Sudetenstraße liege man richtig gut.

© SZ vom 24.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: