Geretsried: Cornelia Irmer:"Ich lese keine Krimis - mein Leben ist aufregend genug"

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Quereinsteigerin und erste Bürgermeisterin im Landkreis: Cornelia Irmer wird 60. Ein persönliches Gespräch.

Felicitas Amler

Die Geretsrieder Bürgermeisterin Cornelia Irmer wird an diesem Samstag 60 Jahre alt. Felicitas Amler hat anlässlich des Geburtstags mit ihr einmal nicht über die Politik gesprochen, sondern über Persönliches, von der Amtsführung über Hobbys und Interessen bis zur Familie.

Lieblingsplatz: Cornelia Irmer geht gern an der Isar spazieren, um Kraft zu schöpfen - hier auf dem Weg zwischen Tattenkofener Brücke und Gartenberg. (Foto: region.wor)

SZ: Frau Irmer, was ist Ihr liebster Platz in Geretsried?

Cornelia Irmer: Kommt aufs Wetter an. Bei schönem Wetter ist es - weil ich ja öfters ein großes Bedürfnis nach Ruhe habe - bei uns zu Hause auf der Terrasse. Und bei schlechtem Wetter habe ich ein ganz bestimmtes Eck im Sofa. Da liegt immer ein Stapel Bücher und Zeitungen und Zeitschriften - herrlich!

SZ: Und in der Stadt?

Irmer: Spazierengehen an der Isar, das finde ich einfach wunderbar. Wenn man von der Tattenkofener Brücke Richtung Gartenberg geht, das ist genial schön. Oder den Malerwinkel hoch: wunderbar.

SZ: Die Stadt hat ja diesen Slogan "Einfach anders". Inwiefern ist Geretsried für Sie einfach anders?

Irmer: Die Stadt Geretsried ist für mich einfach anders als die anderen Städte und Gemeinden im bayerischen Oberland. Das hängt mit der Geschichte zusammen, das ist eine sehr junge Geschichte. Und damit, dass von Anfang an hier immer Menschen herkamen, die - aus welchen Gründen auch immer - ihre eigentliche Heimat verlassen haben. Wir wissen, es gibt nur wenige gebürtige Geretsrieder. Hier hat der größte Teil der Menschen noch mal neu anfangen müssen. Von daher ist eine große Offenheit und Toleranz in der Stadt. Es wird sehr schnell aufgenommen, integriert, wie man heute sagt. Und die Menschen wachsen hier auf eine sehr unkomplizierte Weise zusammen.

SZ: Sind sie selbst, als Sie 1973 kamen, auch sehr schnell aufgenommen worden?

Irmer: Wir sind beruflich sehr schnell sehr gut aufgenommen worden. Als ich dann nicht mehr berufstätig war, ist das auch gut angelaufen. Wir haben in dieser sogenannten "Ungarnsiedlung" gewohnt, das ist heute das Blumenviertel. Da habe ich schnell Kontakt schließen können. Und ganz intensiv war's dann, als wir gemeinsam den Mütterclub gegründet haben. Und als das erste Kind in den Kindergarten kam. Es war völlig unproblematisch, hier Anschluss zu finden.

SZ: Fällt Ihnen zum Slogan "Einfach anders" eine knackige Unterzeile ein?

Irmer: Offen und lebendig.

SZ: Die Bürgermeisterin dieser lebendigen Stadt arbeitet sehr viel.

Irmer: Zwölf bis 14 Stunden.

SZ: Wie oft sieht Ihr Mann Sie?

Irmer: Jeden Tag: zum Frühstück, zum Mittagessen und abends - er wartet eigentlich immer auf mich, er geht ganz selten vorher ins Bett, so dass wir abends schon noch eine Stunde gemeinsam haben. Ich versuche halt, wenigstens ein Wochenende im Monat freizuhalten und möglichst auch den Freitagnachmittag.

SZ: Wie viel Zeit am Tag verbringen Sie also im Schnitt mit Ihrem Mann?

Irmer: Eine Stunde bis anderthalb, maximal zwei Stunden.

SZ: Beklagt er sich?

Irmer: Nein. Er hat selbst einen Beruf als Diakon seit mehr als zwanzig Jahren, der ihn über weite Strecken unseres Familienlebens sehr gefordert hat, auch abends und am Wochenende. Er weiß, wie das ist.

SZ: Wie viele Abende in der Woche sind Sie verbucht?

Irmer: Außerhalb der Schulferien habe ich fast jeden Abend einen Termin. In den Schulferien ist es entsprechend weniger.

SZ: Das sind Repräsentationstermine, politische Sitzungen?

Irmer: Das sind Sitzungen, Gremien, Ausschüsse, das ist Repräsentation, das sind aber auch mal Arbeitskreise, auch mal überregionale Termine, Gemeindetag, Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund.

SZ: Sie waren aus Ihrem früheren Beruf viel Arbeit gewohnt. Geht es Ihnen trotzdem manchmal einfach auf den Wecker?

Irmer: Nein. Das ist das Verblüffende. Ich gehe jeden Tag gern hierher ins Rathaus, habe Freude an der Arbeit. Natürlich ist es wie in jedem Beruf: Du hast Tage, da ärgerst Du Dich und es läuft überhaupt nix so, wie es soll, und dann denkste Dir manchmal: Ja, des hätt's jetzt net 'braucht. Aber im Großen und Ganzen ist es für mich in Ordnung.

SZ: Spüren Sie, dass Belastungen schwerer auszuhalten sind, je älter Sie werden?

Irmer: Je älter ich werde, umso mehr spüre ich, dass ich regelmäßige Ruhephasen brauche. Um mich zu regenerieren, um Kraft zu schöpfen.

SZ: Wie erholen Sie sich?

Irmer: Wir machen konsequent zweimal im Jahr drei Wochen Urlaub. Und, wie gesagt, ich versuche, ein Wochenende im Monat freizuhalten. Für mich ist es wichtig, dass ich in der schlechten Jahreszeit a bissl Zeit habe, Sport zu machen, rauszugehen, wandern zu gehen. Bei dem Wetter jetzt ist meine Leidenschaft Radfahren. Schöne Radltouren.

SZ: Wohin?

Irmer: Ja, hier das ganze Oberland. Oder im Urlaub ausgedehnte Touren. Mit Satteltaschen, nur das nötigste Gepäck, zwei Garnituren Radbekleidung, zwei Jeans, ein Pulli für Abends, fertig. Und dann ab! Wir haben den ganzen Main-Radwanderweg gemacht, wir waren mehrfach im Burgenland, vor zwei Jahren haben wir angefangen, mit Freunden die Donau zu fahren, von der Quelle bis ... wer weiß, wie weit wir kommen.

SZ: Ihr Vater war Musiker. Haben Sie selbst ein Instrument gelernt?

Irmer: Ja, klar, wir mussten ja Klavierspielen lernen.

SZ: Wie gut spielen Sie?

Irmer: Es war schon besser. Das ist etwas, was in den vergangenen Jahren stark vernachlässigt wurde, und wahrscheinlich erst wenn ich im Ruhestand bin, wieder aufleben wird.

SZ: Was spielen Sie gern?

Irmer: Ich bin eine Freundin der klassischen Musik: Mozart, Haydn, Beethoven, Bach.

SZ: Gehen Sie auch ins Konzert?

Irmer: Ja, wir hatten früher ein Abo in der Philharmonie, das haben wir jetzt, mit der Bürgermeisterei, aufgegeben. Das war mir einfach zu viel. Da sind wir oft erst nachts um zwölf heimgekommen. Und wenn man morgens um sechs aufsteht, ist die Ruhephase zu kurz. Aber das werden wir sicher wieder aufnehmen. Jetzt besuchen wir halt sehr gerne die Konzerte hier in der Region, und da ist ja auch eine Menge geboten.

SZ: Sie sind eine von immer noch sehr wenigen Frauen, die es an die Spitze geschafft haben. Was denken Sie, warum es Ihnen gelungen ist?

Irmer: Das ist für mich schwer zu beantworten. Aber ich denke, es hängt damit zusammen, dass ich einfach die Menschen gern mag, gerne Gespräche führe, Diskussionen auch nicht scheue. Die Leute spüren es, wenn man sie mag. Und das hat, glaube ich, damals zu dem Wahlerfolg beigetragen.

SZ: Sie waren ja schon vor Ihrer politischen Tätigkeit beruflich sehr erfolgreich und in einer Position, die Frauen auch nicht so leicht erreichen.

Irmer: Ich habe immer versucht, mich weiterzubilden, mich zu qualifizieren. Ich habe auch keine Angst gehabt vor neuen Aufgaben. Das ist ein wichtiges Kriterium. Aber das gilt für Männer wie für Frauen gleichermaßen. Wer weiterkommen will, muss sich auch neuen Aufgaben stellen, auch wenn er weiß, es wird sehr viel zu lernen sein. Man muss ja nicht immer am Anfang schon perfekt sein.

SZ: Sind Sie perfekt?

Irmer: Nein. (lacht) Gott sei Dank nicht.

SZ: Bringen Frauen eine andere Qualität in die Arbeit oder geht es schlicht darum, dass 51 Prozent der Bevölkerung auch entsprechend viel Teilhabe an Beruf und Politik beanspruchen?

Irmer: Ich denke, dass Frauen sich grundsätzlich mehr einmischen sollten. In allen Lebensbereichen. Und dass sie ihre Anliegen stärker vertreten müssen. Egal ob das in der Schule, in der Ausbildung, in der Familienphase, im Berufsleben ist. Die Frauen sollen den Mund aufmachen und das sagen, was sie bedrückt, was sie gut finden, was sie schlecht finden und welche Vorschläge sie haben. Das ist für mich ganz selbstverständlich.

SZ: Was machen Frauen anders?

Irmer: Ich denke, dass Frauen einfach sehr viel Fingerspitzengefühl, soziale Kompetenz haben und das auch in die Entscheidungen sehr intensiv einbringen.

SZ: Männer wenden da gelegentlich ein: Schaut euch mal die erfolgreichen Frauen an, Margaret Thatcher zum Beispiel: knallhart und überhaupt nicht sozial feinfühlig.

Irmer: Das ist richtig. Das ist wie bei den Männern auch: Es gibt solche und solche. Und ein Beispiel steht nicht für alle.

SZ: Wie hieße denn ein Slogan über Ihre Arbeit?

Irmer: Da habe ich mir noch nie einen Slogan überlegt. Aber ich finde, dass dieser Slogan für Geretsried "Einfach anders" auch zu mir gut passt.

SZ: Inwiefern sind Sie anders?

Irmer: Ich bin Quereinsteigerin in der Kommunalpolitik. Ich war die erste Frau im Landkreis, die Bürgermeisterin wurde. Es sind im Arbeitsalltag manchmal auch die Wege in Entscheidungsfindungsprozessen nicht so einfach und vor allem nicht unbedingt so, wie allgemein angenommen oder manchmal unterstellt wird, dass politische Mandatsträger oder -trägerinnen handeln.

SZ: Was meinen Sie konkret?

Irmer: Dass jeder am Anfang gesagt hat: Die Sitzungsführung ist jetzt ganz anders, Sie gehen da locker damit um. Auch dass die Führungskräfte hier im Haus jeden Montag sich zusammensetzen und den Austausch untereinander pflegen. Dass ich die einbeziehe in die Entscheidungen. Das sind so viele kleine Dinge. Und es gehört auch dazu, dass ich versuche, so transparent und nachvollziehbar wie möglich zu handeln.

SZ: Wenn man sechzig wird, schaut man sicher zurück, aber vielleicht auch nach vorn: Was will man noch erreichen? Haben Sie sich Gedanken gemacht über Ihren Ruhestand?

Irmer: Ja, klar (lacht), mein Mann freut sich ja schon drauf.

SZ: Wie lange muss er noch warten?

Irmer: Bis 2014.

SZ: Und dann? Was haben Sie sich vorgenommen?

Irmer: Dass wir einfach viel mehr Zeit miteinander verbringen. Darauf freuen wir uns beide sehr, sehr. Wir haben ja viele gemeinsame Interessen, Konzerte und Opern, Theater, Radfahren, Wandern, Lesen.

SZ: Was lesen Sie gern?

Irmer: Das ist ganz unterschiedlich. In Zeiten, wo ich sehr beansprucht bin, lese ich gern Romane, einfach weil ich da gut abschalten kann. Ich lese aber auch gern mal arbeitsbezogene Bücher, zum Thema Bürgergesellschaft, Fachzeitschriften.

SZ: Keine Krimi-Leserin?

Irmer: Nee, überhaupt nicht. Ich lese Krimis nicht besonders gern, und ich schaue auch keine Krimis an. Ich sag' immer: Mein Leben ist aufregend genug, ich brauche keine künstliche Aufregung.

SZ: Was schenken Ihnen Freunde oder Ihr Mann? Womit machen Leute Ihnen eine Freude?

Irmer: Dieses Jahr habe ich mir ausbedungen, dass mein Mann mir nichts schenkt. Weil es mein großer Geburtstagswunsch ist, dass unsere Kinder mit ihren Frauen sich Zeit nehmen an diesem einen Wochenende im August, an dem wir zusammen nach Wien und ins Burgenland fahren und in St.Margarethen die Opernfestspiele besuchen. Und das müssen wir gemeinsam finanzieren. Da fährt dann meine Schwester mit ihrem Mann noch mit. Da werden wir von Freitag bis Sonntag dort sein. Und das ist mein Geburtstagsgeschenk: Zeit mit der Familie.

© SZ vom 03.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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