Geretsried:Bereit zum Abschied sein

Lesezeit: 2 min

Eine Kunstausstellung in der Aussegnungshalle des Geretsrieder Waldfriedhofs beleuchtet nicht nur den Tod, sondern eröffnet auch trostreiche Aspekte.

Von Reinhard Szyszka, Geretsried

Im schwarzen Quadrat erkennt man die weiße Gestalt eines Menschen. Zusammengesunken sitzt er da, schaut ins Leere. Die rosa Figuren - Luftballons? Blumen? - hinter ihm nimmt er ebenso wenig wahr wie die grüne Häuserzeile am Fuße des Bilds oder die unregelmäßigen schwarzen Flecken außer- und oberhalb des Quadrats. "Rosa Reise" nennt die Künstlerin Daniela Koegler ihre Collage, Untertitel "Abschied nehmen - Demenz". Ja, eine Demenzerkrankung ist ein Abschied. Zu Lebzeiten, aber für immer. Die "rosa Reise" des Kranken spielt sich hinter ihm ab, also in seiner Vergangenheit.

Das Bild ist Bestandteil der Ausstellung "Vergänglichkeit und Neues" in der Aussegnungshalle des Geretsrieder Waldfriedhofs. Am Donnerstag fand die Vernissage statt. Im Frühjahr hatte es am gleichen Ort bereits eine Ausstellung zum Thema "Tod" gegeben, und die Stadt hat vier Kunstwerke daraus erworben: drei Stelen von Stefanie von Quast und ein Kruzifix von Hans Neumann. Während das Kruzifix am Glockenturm angebracht ist, stehen die Stelen in der Aussegnungshalle selbst, und Pfarrer Georg Bücheler wird bei Trauerfeiern immer wieder auf diese Kunstwerke angesprochen. "Durch die Bilder bekommt der Abschied eine Lebendigkeit", so der allgemeine Tenor der Trauergäste.

Daniela Koegler thematisiert mit "Rosa Reise" das Abschiednehmen von einer demenzkranken Person. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Auch die neue Ausstellung soll den Abschied erleichtern und zum Nachdenken anregen. Sie beschäftigt sich diesmal nicht nur mit dem Tod, sondern mit allen Aspekten der Vergänglichkeit. "Unser Leben ist eine Fortsetzungsgeschichte, weil sich alles verändert": Dieser Satz zog sich wie ein roter Faden durch die Begrüßungsansprache von Pfarrer Bücheler. Er berichtete von persönlichen Erlebnissen, so vom Besuch eines Konzerts mit späten, kontemplativen Werken des amerikanischen Komponisten John Cage. Bei dieser Musik sind die einzelnen Töne durch längere Pausen voneinander getrennt. Bücheler verglich die Töne mit Sternschnuppen, aber das eigentliche Erlebnis war "die Stille dazwischen, wo man in sich selbst hinein lauschte".

Gerhard Meinl, Dritter Bürgermeister von Geretsried, erwähnte in seinem Grußwort zwei Kunstwerke, die in der deutschen Kultur exemplarisch für die Themen Tod und Vergänglichkeit stehen: der Kupferstich "Ritter, Tod und Teufel" von Albrecht Dürer und Mozarts Requiem. Während Dürers Ritter unbeirrt von Tod und Teufel seinen Weg durch die Schlucht fortsetzt, war es Mozart nicht vergönnt, sein Requiem zu beenden. Doch bei aller Verschiedenheit blicken beide Werke nicht nur zurück, sondern auch entschieden nach vorne. "Vergänglichkeit und Neues" lautet schließlich das Motto der Ausstellung.

Stefanie von Quast: "Halten/Bewahren" aus Stein und Bronze. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Ehepaar Anna-Theresa und Johannes Buxbaum umrahmte die Vernissage musikalisch. Franz Schuberts bekanntes Ständchen "Leise flehen meine Lieder" - mit Violine statt Gesang - war da ebenso vertreten wie das wohl berühmteste Lied von Robert Schumann, die "Mondnacht". Dazwischen spielte Johannes Buxbaum ein reines Klavierstück, ebenfalls von Schumann, mit dem Titel "Abschied", was natürlich hervorragend zum Thema der Ausstellung passte.

Die Kunstwerke verteilen sich über die Halle, den anschließenden Gang und den Vorplatz. Große, kraftstrotzende Skulpturen von Hans Neumann kontrastieren mit feinsten Filigranarbeiten von Andrea Mähner aus Papier und Menschenhaar oder Löwenzahn-Samen. Dass man sich dem Thema Vergänglichkeit auch humorvoll annähern kann, zeigt Lucie Plaschka. Ihre Werke mit dem Titel "Ich war eine Flasche" bestehen aus Flaschenscherben, hinter Glasscheiben zu fantasievollen Mustern angeordnet.

Doch eine ganz eigene Herangehensweise pflegt Birgit Haas-Heinrich. Die Künstlerin kombiniert Bildende Kunst und Literatur, indem sie Texte von Novalis, Fritz Reuter und Rudolf Georg Binding zu Kalligrafien gestaltet. "Ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen" schreibt Fritz Reuter in einem dieser Texte über den Tod, und "Ich bin nur auf der anderen Seite des Weges". Schöner und tröstlicher kann man das Thema "Vergänglichkeit und Neues" kaum darstellen.

Ausstellung "Vergänglichkeit und Neues" in der Aussegnungshalle des Waldfriedhofs Geretsried, Adalbert-Stifter-Straße. Geöffnet bis einschließlich 15. Dezember, Montag bis Donnerstag von 8 bis 16 Uhr, Freitag von 8 bis 12 Uhr, außer wenn eine Trauerfeier stattfindet

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: