Geretsried:Angst vor dem "Koloss"

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250 Menschen kommen am Samstag zur Demonstration wegen der geplante Bebauung am Karl-Lederer-Platz. Die Interessengemeinschaft sammelt 400 Unterschriften und erwägt ein Bürgerbegehren

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Der Aufruf lag vergangene Woche in den Geretsrieder Briefkästen: Ein in Rot und Schwarz bedruckter Zettel mit etlichen Ausrufezeichen und einem Emoticon, das Entsetzen ausdrückte. "Geretsrieder wacht auf", stand darauf geschrieben: "Kein Monsterbau und überdimensionierte Tiefgarage am Karl Lederer Platz." Zu der damit angekündigten Info-Veranstaltung der Interessengemeinschaft Karl-Lederer-Platz kamen am Samstag rund 250 Menschen - Gegner ebenso wie Befürworter des siebenstöckigen Gebäudes, das schräg gegenüber dem Rathaus entstehen soll.

Um die Dimensionen des so genannten Turms zu verdeutlichen, markierte die Interessengemeinschaft seine Umrisse mit Klebeband auf dem Boden. Dann ließ sie 25 Meter lange Luftballon-Ketten aufsteigen, um die Gebäudehöhe zu veranschaulichen: Die höchsten Luftballons, schwarze Bojen, waren selbst von der Hollywood-Kurve aus zu sehen, obwohl der Wind sie ein wenig in Schräglage brachte. Fast zwei Stunden dauerte die Aktion, und vor allem anfangs gab es großen Andrang an den Tischen, an denen Unterschriftenlisten auslagen.

Auch von der Bundesstraße 11 beim Schulzentrum aus war an den schwarzen Ballons gut zu sehen, wie hoch der "Turm" werden könnte. (Foto: Hartmut Pöstges)

Deren Forderung drückte sich in einem einzigen Satz aus: Die Unterzeichner wollten das gesamte Bauvorhaben verhindern, einen Alternativvorschlag gab es nicht. Mehr als 400 Menschen unterschrieben: Nun denkt die Interessengemeinschaft über ein Bürgerbegehren nach.

"Der ganze Platz wird vernichtet", sagte ein Geretsrieder, der seine Unterschrift leistete: "Ich finde, das ist ein Wahnsinn." Der Turm werde gesellschaftliche Veranstaltungen verhindern - etwa den Weihnachtsmarkt. Einen Platz wie den in Geretsried gebe es zum Beispiel in Wolfratshausen nicht: Da werde man auf dem Weihnachtsmarkt "durchgepresst". Auch Wolfratshauser waren unter den Gegnern: Einer schlug vor, den Altbestand aufzustocken und dann die Fassaden zu verschönern, ohne die "Piazza" zu zerstören.

Die Interessengemeinschaft Karl-Lederer-Platz - in der sich nach eigenen Angaben nicht nur Anwohner sammeln - nennt sich in einem Positionspapier "objektiv, unabhängig und kritisch". Verfasst hat es die Sprecherin Eva Eberhardt, Eigentümerin einer Wohnung am Platz: Das Papier richtet sich gegen "einen siebenstöckigen Glas-Beton-Koloss" und die "überdimensionierte Tiefgarage, die für viele Gartenberger Hauskeller in ein nasses Grab führen kann". Die Gemeinschaft fürchtet um die Lebensqualität, hebt hervor, dass es in Geretsried bislang nur wenige Betonklötze gebe, und fordert die "Bürgervertreter zu einer Umkehr" auf.

Der frühere Stadtrat Peter Tobisch forderte bei der Demonstration einen Architektenwettbewerb. (Foto: Hartmut Pöstges)

In einer Begrüßungsrede übte der Geretsrieder Zahnarzt Elmar Immertreu scharfe Kritik: "Der Bürger wird einmal bei der Wahl befragt und hat dann den Mund zu halten." Der Turm sei "einfallslose Schachtelarchitektur, Klotz, Monsterbau", werde dem Café Waldmann Sonnenstunden nehmen und das Grundwasser in die Gartenberger Keller drücken. Argumentiert werde mit Halbwahrheiten - so seien Flachdächer nur fünf Jahre lang dicht, dann müssten sie aufwendig saniert werden. Von den strafrechtlich grenzwertigen Schreiben, die jemand anonym an den Bürgermeister geschickt hatte, distanzierte sich Immertreu im Namen der Interessengemeinschaft.

Der ehemalige FDP-Stadtrat Peter Tobisch sagte in seiner Ansprache, er habe "zu großes Vertrauen" in seine Stadtratskollegen und Bürgermeister Michael Müller (CSU) gehabt. Die Konsequenzen könnten die Parteien bei der nächsten Kommunalwahl 2030 zu spüren bekommen - denn die falle mitten in die Bauzeit. Tobisch forderte eine Bürgerbeteiligung und einen Architektenwettbewerb. Beides werde bislang abgelehnt: "Mit der Antwort: Weil wir es besser wissen."

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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