Gaißach:Zu wenige Freiwillige

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Je nach Bedarf werden die Freiwilligen auf die Betriebsbereiche der Oberland-Werkstätten verteilt, für Sophie Späth ist es die Wäscherei geworden. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Oberland-Werkstätten für Menschen mit Behinderung in Gaißach bieten mit FSJ und Bufdi interessante soziale Tätigkeiten. Die Resonanz könnte aber besser sein

Von Erik Häussler, Gaißach

Grundschule, dann eine der drei weiterführenden Schulen, anschließend der entsprechende Abschluss - aber was danach? Bis zur Aussetzung der Wehrpflicht 2011 war für junge Männer klar: Bundeswehr oder Zivildienst. Auch für engagierte junge Frauen gab es die Möglichkeit, mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) einen Dienst an der Gesellschaft zu tun. Doch seit es die Verpflichtung für junge Männer nicht mehr gibt, wollen immer weniger einen sozialen Dienst leisten. Das FSJ gibt es zwar noch immer und mit dem Bundesfreiwilligendienst kam eine weitere Möglichkeit der Freiwilligenarbeit hinzu, die keine Altersbeschränkung hat. Dennoch ist für viele soziale Einrichtungen die Suche nach Freiwilligen schwierig.

Auch die Oberland-Werkstätten in Gaißach tun sich schwer. An verschiedenen Standorten wird dort mit behinderten Menschen gearbeitet: in der Metall- oder Holzverarbeitung, Industriemontage, in den angeschlossenen Küchen oder Wäschereien. Sieben Stellen für FSJler oder Bufdis, wie die Bundesfreiwilligendienstleistenden umgangssprachlich genannt werden, bietet die Einrichtung an. Aktuell sind nur vier Plätze vergeben. Einen davon hat Sophie Späth aus Greiling inne.

Die 20-Jährige besuchte die Fachoberschule in Bad Tölz und wählte bereits dort den sozialen Schwerpunkt. Auch während ihrer Schulzeit engagierte sie sich für Menschen mit Behinderung. Vier Jahre lang gestaltete sie Freizeitangebote für Behinderte, ging mit ihnen ins Kino. Dann kam das Abitur und Späth ging es wie vielen anderen jungen Menschen: "Ich habe nach der Schule nicht genau gewusst, wie es weitergehen soll. Ich wollte aber etwas Praktisches machen - und sinnvoll sollte es sein."

Sie fand das Angebot der Oberland-Werkstätten Gaißach in der Zeitung, bewarb sich und war schon bald für einen Probetag in der Wäscherei. Erinnerungen an den ersten Tag: "Danach dachte ich mir nur: Das ist sauanstrengend!" Nach zwei Tagen Bedenkzeit sagte sie dennoch zu - und hat es nie bereut.

Anfangs erhielten die neuen Freiwilligen pädagogische Anleitungen, lernten die verschiedenen Behinderungsformen kennen und wie mit ihnen umzugehen ist, erklärt Carolin König, die Betriebsleiterin in Gaißach. Je nach Bedarf werden die Freiwilligen dann auf die Betriebsbereiche verteilt, für Sophie Späth ist es die Wäscherei geworden. Dort ist sie nun seit September vergangenen Jahres mit zwei behinderten Mitarbeiterinnen eingesetzt. "Beide arbeiten sehr selbständig. Da kann ich mich darauf verlassen", resümiert Sophie Späth zufrieden. Trotz ihrer Vorerfahrung in der Behindertenarbeit erwartete sie nun eine neue Herausforderung: "Es ist natürlich was anderes als bei der Freizeitbetreuung. Wir müssen hier Termine einhalten und arbeiten qualitativ hochwertig. Dann muss auch mal strenger sein."

Normaler Arbeitsalltag - der auch zu Problemen führen kann. "Die Arbeit ist natürlich schwierig, gerade wenn einer unserer Mitarbeiter mal wieder ausflippt", muss Betriebsleiterin König zugeben. Auch solche Situationen hat Sophie Späth schon erlebt, fühlt sich aber, wie sie sagt, gut betreut: "Wir besprechen das dann mit unseren Gruppenleitern und bekommen Tipps und Unterstützung." Nicht jeder ist für diese Arbeit geeignet. Dieses Jahr musste ein Freiwilliger den Dienst in der Probezeit vorzeitig beenden.

Probleme gibt es für die Oberland-Werkstätten aber auch an anderer Stelle: Die Freiwilligen fehlen. Für das neue Jahr, das im September beginnt, gibt es momentan nur zwei Bewerbungen. König zeigt sich noch optimistisch: "Jetzt fangen die Abschlussprüfungen an der Realschule an, viele wissen anschließend nicht, was sie machen sollen oder bekommen keinen Ausbildungsplatz. Dann entscheiden sich viele kurzfristig." Die Werkstätten bieten eine sinnvolle Perspektive. Für den Bundesfreiwilligendienst gibt es allerdings gar keine Interessenten. Meist scheitere es an der Bezahlung, weiß König. Zwar bekämen Freiwillige beider Dienste rund 440 Euro im Monat, doch meist könnten nur junge Menschen, die bei den Eltern wohnten und keine finanziellen Verpflichtungen hätten, damit über die Runden kommen.

Für Sophie Späth ist ihr Jahr in der Wäscherei Ende August vorbei. Dann will sie Sozialpädagogik studieren. Auch da ist sie sich nun sicher. "Ich nehme vom FSJ sehr viel für mich persönlich mit. Ich würde sagen, ich bin daran gewachsen und bin auf jeden Fall auch selbstbewusster geworden." Die 20-Jährige ist zufrieden mit ihrer Entscheidung, einen sozialen Dienst zu tun.

Die Oberland-Werkstätten Gaißach im Internet: www.o-l-w.de/

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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