Gaißach:Unterschätzt und doch bedeutend

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Georg Mair freut sich über die Auszeichnung des Almwirtschaftlichen Vereins, in dessen Vorstand es aktiv ist. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Almwirtschaftliche Verein erhält den Anerkennungspreis

Von Petra Schneider, Gaißach

Wer im Sommer über Bergwiesen wandert, sich einen Weg durch grasende Kuhherden bahnt und vielleicht ein Glas frische Milch auf einer Alm trinkt, denkt dabei vermutlich nicht zuallererst an Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze. Auch Georg Mair nicht, der seit 23 Jahren im Vorstand des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern aktiv ist. Dass der Verein nun auf Vorschlag des Lenggrieser Bürgermeisters Werner Weindl am Donnerstag den Anerkennungspreis des Wirtschaftspreises erhalten hat, freue ihn, sagt Mair. Und habe ihn überrascht. "Denn in Bezug auf die Gesamtwirtschaft leistet die Almwirtschaft nur einen kleinen Beitrag".

Für den Bürgermeister der Tourismusgemeinde Lenggries ist dies aber durchaus ein gewichtiger, wenn auch unterschätzter Aspekt: "Die Almwirtschaft wird in der Öffentlichkeit nicht als Wirtschaftsfaktor gesehen". Dabei würden dort Umsätze generiert und Arbeitsplätze geschaffen. Das sieht auch Mair so, der ein steigendes Interesse bei jungen Leuten beobachtet, den Sommer über auf einer Alm zu arbeiten. Für ihn und den Verein steht freilich ein anderer Aspekt im Vordergrund: "Die Almwirtschaft erhält Naturräume, die sonst verschwinden würden", sagt der 62-jährige Landwirt aus Gaißach, der eine Alm im Karwendel betreibt.

Denn wenn die Almbauern Weideflächen für das Vieh nicht offen hielten, wären diese binnen zehn Jahren verwaldet. Mit allen negativen Konsequenzen für die Artenvielfalt. "In den Übergangsbereichen zwischen Wald und Weide ist die Artenvielfalt größer als im tropischen Regenwald", erklärt Mair. Auch für das Vieh sei die Weidehaltung artgerecht, wenn sie zuvor gelernt hätten, selbst Futter, Wasser und Schutz zu suchen. "Kühe auf der Alm sind gesünder und gescheiter", ist Mair überzeugt. Und nicht zuletzt für den Tourismus sei die Almwirtschaft wichtig, weil sie den Reiz der Landschaft erhalte.

Der Almwirtschaftliche Verein wurde im August 1947 als eigenständige Interessensvertretung der Almbauern gegründet; die 17 Gründungsmitglieder lehnten eine Angliederung an den Bayerischen Bauernverband ab. Inzwischen gehören dem Verein 14 Landkreise und Talschaften zwischen Berchtesgaden und Garmisch-Partenkirchen an, der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ist nach Miesbach der zweitgrößte Almbezirk. 1800 Mitglieder zählt der Verein, davon 1100 praktizierende Almbauern, die jedes Jahr zwischen Mai und September rund 20 000 Kühe, vor allem Jungtiere und Kälber, auf die Bergweiden schicken und eine Fläche von gut 20 000 Hektar bewirtschaften. Mindestens zwei Drittel der Almen beschäftigen im Sommer ständig Personal.

Mair ist froh, dass das Almensterben in den 1970-er zum Stillstand gekommen ist. Damals seien viele Almen aufgegeben worden, weil sie sich nicht rechnen: Teure Maschinen müssen zusätzlich zu denen im Tal angeschafft werden, weil auf Hangflächen mit schwerem Gerät nicht gearbeitet werden kann. Einzäunungen sind nötig, tägliche Kontrollgänge. Strom gibt es nicht überall, auch das Wasser kann knapp werden und müsse bei anhaltender Trockenheit schon mal mit dem Hubschrauber eingeflogen werden, sagt Mair. "Die Kühe im Laufstall zu halten, ist auf jeden Fall die billigere Methode." Erst seit es Fördergelder von EU, Bund und Land gebe, habe sich die Lage stabilisiert.

Als wichtige Aufgaben des Vereins nennt der Vorsitzende die Öffentlichkeitsarbeit und Schulung der Almbauern: Regelmäßig werden Lehrgänge und Fachvorträge angeboten, bei denen es auch um Naturschutz geht. Eine jährliche Hauptalmbegehung im Sommer in einem jeweils anderen Gebiet wird organisiert, "mit Politikern und etwa 1000 Teilnehmern", wie Mair sagt. Ebenso der jährliche Almbauerntag im Herbst, bei dem sich Aktive aus ganz Oberbayern treffen.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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