Schnablerrennen:Augen zu und durch

Lesezeit: 3 min

Am Sonntag starten die kühnen Gaißacher wieder zu ihrem legendären Schnablerrennen. Eine Bremse haben die schweren Schlitten nicht, deshalb gibt es immer wieder mal Kleinholz und blaue Flecken

Von Kristina Kreisel, Gaißach

Schnell geht es auf dem massigen Hornschlitten bergabwärts. Jakob Haslinger, 23 Jahre alt, sitzt zwischen den nach oben verlängerten Kufen, den Hörnern, die dem Schlitten seinen Namen geben. In Gaißach wird das Gefährt auch "Schnabler" genannt. Kräftig drückt Haslinger sich nach links, um den Kufen eine Kurve vorzugeben. Die Füße im Schnee helfen beim Lenken. Peter Wasensteiner, ebenfalls 23 Jahre, kniet am hinteren Ende des Schlittens und unterstützt seinen Vordermann. Der Fahrtrichtung entsprechend verlagert er sein Gewicht.

Haslinger und Wasensteiner nehmen am Sonntag zum vierten Mal am traditionellen Gaißacher Schnablerrennen teil, das 1928 in Folge einer Wette zum ersten Mal veranstaltet wurde. Dabei geht es darum, die 1,5 Kilometer lange, schmale Strecke und einen Sprung über eine Naturschanze möglichst schnell hinter sich zu legen. "Es ist eine Riesen-Gaudi", sagt Haslinger. Bis zu 6000 Besucher werden zum Wochenende am Lehener Berg erwartet, doppelt so viele Menschen wie im Ort wohnen. Rund 35 Teams haben sich bisher angemeldet. Für die meisten Gaißacher gehört das Rennen seit Jahrzehnten fest zum Jahresprogramm. "Wer was auf sich hält, fährt mit", sagt Haslinger, der die offizielle Mütze des Gaißacher Schnablervereins trägt. Rund 80 Prozent aller Ortsbewohner seien in das Rennen am Sonntag involviert, erzählt Wasensteiner in tiefstem Bairisch. Bereits die Väter und Großväter des Glasers und des Landwirts stürzten sich per Hornschlitten den Hang hinunter. Ursprünglich wurden die Schlitten in der Berglandwirtschaft eingesetzt, um Heu und Holz, die in größeren Höhen gemäht beziehungsweise geschlagen worden waren, zum Hof zu transportieren. Der rund zwei Meter lange und einen knappen Meter breite Schlitten, mit dem sich die jungen Männer am Sonntag auf die rund eineinhalb Kilometer lange Strecke begeben werden, wird bereits in dritter Generation gefahren. Von seinem Großvater sei der Schlitten über seinen Vater an ihn gegangen, berichtet Wasensteiner. Über Bremsen oder mechanische Hilfen verfügt er nicht. "Das ist bei uns nicht erlaubt", sagt Wasensteiner. "Weil es vor allem beim Sprung schon mal krachen kann, musste er schon oft repariert werden." Zwei, drei Originalteile wie die linke Kufe gebe es aber noch.

Peter Wasensteiner (l.) und Jakob Haslinger mit ihrem Schlitten. Das Sitzbrett haben sie gepolstert, holprig wird die Fahrt bestimmt trotzdem. (Foto: Manfred Neubauer)

Der weiteste Sprung mit einem Schnabler betrug 25 Meter. Rund 20 Meter sind auch Haslinger und Wasensteiner schon gesprungen, sagen sie. Dabei pumpe das Herz dann doch recht heftig. Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 70 Kilometern pro Stunde werden auf der eisigen Piste erreicht. Dass dabei immer etwas passieren kann, ist Haslinger bewusst. Außer ein paar blauer Flecke ist den beiden aber bisher nie etwas zugestoßen. Damit es möglichst keine Verletzten gibt, lädt das Hohe Komitä, das das Spektakel unter der Leitung von Georg Fischhaber organisiert, am Freitag vor dem Spektakel zu einer Sicherheitsbelehrung ein.

Die Wettkampfstrecke haben Haslinger und Wasensteiner heuer noch nicht absolviert. Erst am Sonntag wird die Piste befahrbar sein. Seit Mittwoch arbeiten freiwillige Helfer daran, Strecke und Schanze zu präparieren. Durch aufgespritztes Wasser soll die Bahn noch eisiger gemacht werden. Zum Trainieren nutzen die beiden eine Strecke links neben der eigentlichen Piste. Die Fahrer müssen Gaißacher und mindestens 16 Jahre alt sein, die Beifahrer dürfen von auswärts kommen. Vereinzelt gehen ältere Semester an den Start, doch die meisten Fahrer sind junge Männer.

Der fliegende Schnabler: Hoch hinaus geht es am Sonntag beim Rennen, aber runter kommen alle wieder. (Foto: Manfred Neubauer)

Einen klaren Favoriten gebe es nicht. Viel komme auf die Tagesform und das berühmte Quäntchen Glück an, glaubt Haslinger. Trotz allen Spaßes sei es immer noch ein Wettkampf. "Klar ist auch ein gewisser Ehrgeiz dabei, schneller als der Spezl zu sein", gibt Haslinger zu. Die meisten Teilnehmer kennen sich von Kindesbeinen auf. Dass sich eine Frau unter die Teilnehmer mischt, sei nur ganz selten der Fall, meint Wasensteiner.

Weil das Rennen immer während der Faschingszeit stattfindet, gehört es zur Renntradition, dass die Teilnehmer verkleidet in den freundschaftlichen Wettkampf treten. Mit der Wahl ihrer Kostüme nehmen es die beiden jedoch nicht allzu eng, sagt Wasensteiner. "Das wird spontan. Nach dem Motto 'Augen zu und durch'", scherzt Haslinger.

Am Samstag werden von 19.30 Uhr an die Startnummern unter den Teams verlost. Großen Einfluss auf das Rennen habe die Nummer allerdings nicht, versichert Haslinger: "Die Piste wird gut präpariert sein." An Vorbereitungen braucht es nicht viel: Die Schlittenkufen werden im Vorfeld noch einmal abgeschliffen und vom Rost befreit, der sich über den Sommer angelagert hat. Besondere Präparierungen, um den Schlitten schneller zu machen, nehmen die jungen Männer nicht vor. "Das geht schon so ordentlich ab."

Das Schnablerrennen des Gaißacher Schnabler- und Schlittenvereins findet am Sonntag, 8. Februar, am Lehener Berg (Ortsteil Mühl) statt. Beginn ist um 13 Uhr. Eintritt sechs Euro, Kinder bis zwölf Jahre frei. Kostenfreie Parkplätze sind vorhanden.

© SZ vom 07.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: