Festival Larizell:Eine Puppenkiste gibt es auch in Dietramszell

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Die Gesichter hinter den Figuren: Ruth Gabisch, Carola Sihorsch, Doris Sindel und Martha Kollek (Erste Reihe, v. l. nach r.). (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bei einem Workshop lernen sich vier Frauen kennen. Als D'Zeller Kasperlkiste feiern sie am Sonntag beim Puppentheater ihre Premiere.

Von Lea Utz, Dietramszell

Es begann mit einem Bügelbrett und einem Scherz. Eilig wurde ein Tuch über das Brett geworfen, ein improvisiertes Kasperltheater. Dahinter ließen sechs Frauen aus dem Landkreis zum ersten Mal gemeinsam die Puppen tanzen. "Das war so witzig, wir haben direkt angefangen zu improvisieren", erinnert sich Doris Sindel. Sie war eine der Teilnehmerinnen des Workshops, bei dem Puppenspielerin Erika Künemund im Rahmen des Figurentheater-Festivals Larizell Laien ihr Handwerk erklärte. "Da hab ich gesagt: Dann können wir ja gleich beim Larizell auftreten", erzählt Sindel - "eigentlich bloß ein Gag".

Doch die Idee lässt die Gruppe nicht mehr los. Ein Jahr später taucht auf dem Programm des Festivals die D'Zeller Kasperlkiste auf - denn vier der Workshop-Teilnehmerinnen haben sich mit Regisseurin Künemund dazu entschlossen, ein eigenes Stück auf die Bühne zu bringen.

Donnerstagabend, noch zwei Tage bis zur Aufführung: Im Hobbykeller der Künemunds läuft die Generalprobe. Zwischen alten Möbeln, einem Fahrrad und dem goldglänzenden Becken eines Schlagzeugs ist gerade Platz für ein kleines Puppentheater. Drei der Spielerinnen proben eine Szene an. Dicht gedrängt sitzen sie hinter dem Vorhang auf einer schmalen Holzbank, vor ihnen liegt das Skript, in dem auch die Laufwege hinter der Bühne fein säuberlich vermerkt sind.

Über ihren Köpfen klagt der Hase Moppel über seine Ohren - die hat eine missmutige Hexe eiskalt verknotet. "Wer hilft mir denn, meine Ohren wieder aufzuknoten?", piepst Spielerin Martha Kollek in einer weinerlichen Säuselstimme und lässt Moppel verzweifelt mit den Pfoten wedeln.

In diesem Moment kommt Carola Sihorsch zur Kellertür herein. "Da ist ja unser Kasperl", ruft Regisseurin Künemund, die Runde ist komplett. Vor dem ersten Durchlauf gibt es noch letze Regieanweisungen: "Das Timing beim Sprechen habt ihr schon gut drauf, das brauchen wir jetzt auch noch beim Spielen."

Die Erzieherin betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Ronald "Peterl und Hiu's Kasperltheater", das auch beim Larizell vertreten ist. Dass sich damals kein einziger Mann für den Workshop angemeldet hat, wundert Künemund nicht. Denn das Puppenspiel sei nach wie vor eine Frauendomäne. Beim Projekt D'Zeller Kasperlkiste hatte sie zunächst Bedenken: "Ein neues Stück umzusetzen, ist mit einem Riesenaufwand verbunden." Doch von der Begeisterung ihrer Nachwuchs-Puppenspieler ließ sie sich schließlich mitreißen. "Die sind wahnsinnig engagiert und mit ganz großem Eifer dabei", freut sich die Regisseurin.

"Das Schöne am Puppenspiel ist, dass man eben auch mal die böse Hexe sein kann", erzählt Doris Sindel, die ihrer Figur eine herrlich kratzig-schaurige Stimme verleiht. "Dieses Überdrehte, Überspitzte macht einfach unglaublich Spaß". Viele Ideen für das neue Stück, das den Titel "Alles verhext" trägt, steuerten die Spielerinnen selbst bei. Sindel hat dafür sogar eine alte Schallplatte aus Kindertagen ausgegraben - das Hörspiel war der Ausgangspunkt für das Skript. "Inzwischen hat sich die Geschichte aber komplett verändert", sagt Künemund.

Im Zentrum der Handlung steht natürlich der Kasperl, der mit seiner Freundin Gretel im Wald auf Schwammerlsuche geht. Dort herrscht großer Aufruhr, denn die Hexe verzaubert kurzerhand alles, was ihr in den Weg kommt. Ob dem Kasperl eine Lösung einfällt?

Insgesamt sieben Puppen der Künemunds sind im Einsatz, die Rollen waren im Nu verteilt. "Ich bin eher die Ruhigere von uns, deswegen mache ich die Großmutter und die Gretel", erzählt Ruth Gabisch, die vierte im Bunde. Am Anfang wurde einmal im Monat geprobt, auf der Zielgeraden dann fast jede Woche. Öffentlich aufgetreten ist noch keine der Frauen, abgesehen vom ein oder anderen Kindergeburtstag in der Familie. Umso beeindruckender ist, mit welcher Professionalität die Truppe ans Werk geht.

Die größte Herausforderung steht den Spielerinnen aber erst noch bevor, denn die Kasperlkiste ist ein Mitmach-Theater - und Kinder sind ein kritisches Publikum. "Man muss auf die Kinder eingehen. Ich bin gespannt, wie wir am Sonntag damit umgehen", sagt Sindel . Neu ist für die Gruppe auch, mit Headset und Mikro zu spielen.

"Bloß nicht zu viele Änderungen kurz vor Schluss", seufzt Martha Kollek zwischen zwei Regieanweisungen. Sie ist froh, wenn am Sonntag endlich die Premiere ansteht: "Jetzt derfs dann auch gspuit wern." Wie es danach mit der D'Zeller Kasperlkiste weitergeht, ist noch offen. Im Moment bleibt aber ohnehin nicht viel Zeit zum Nachdenken: Die Probe geht weiter, und Moppels Hasenohren wollen ein zweites Mal entknotet werden.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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