Drei Ensembles, drei Sprachen, drei Auftritte:Knabenchöre voller Klangmacht

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Das dritte Festival in Bad Tölz mit Gästen aus England und Frankreich bietet bei der Eröffnung, dem Galakonzert und der Sonntagsmatinee ein außerordentliches Niveau. Anders als im Vorjahr stimmt auch der Publikumszuspruch.

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Ein Geheimtipp ist es nicht mehr: Im dritten Jahr seines Bestehens präsentiert sich das Tölzer Knabenchorfestival als konsequent durchorganisiertes Event mit eigenem Logo und professionellem Management. Und endlich nehmen einheimische wie auswärtige Freunde der Chormusik dieses Konzertereignis entsprechend an. Waren im Kurhaus beim Eröffnungskonzert am Freitag noch einige wenige Plätze leer geblieben, so platzte der Saal tags darauf beim Galakonzert aus allen Nähten, ebenso wie die Stadtpfarrkirche bei der geistlichen Matinee. Auch die Sonntagsgottesdienste, die von den teilnehmenden Chören ausgestaltet wurden, waren sehr gut besucht. Eine so geballte Fülle erstklassigen Knabenchor-Gesangs gibt es eben nur in Bad Tölz zu hören.

Die Festivals der Vorjahre hatten sich innerhalb der Grenzen des deutschen Sprachraums bewegt, mit Gastchören aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, so dass die Sprachbarrieren entfallen waren. Dieses Mal nun hatten es die Veranstalter gewagt, über den Tellerrand zu blicken und Knabenchöre aus Paris und London nach Tölz zu holen. Die Folge war, dass alle Ansprachen und Reden in drei Sprachen gehalten werden mussten - eine Herausforderung, die glänzend bewältigt wurde. Dritter Bürgermeister Christof Botzenhart, Geschäftsleiterin, Mitorganisatorin Barbara Schmidt-Gaden und Stadtpfarrer Peter Demmelmair kamen ohne Dolmetscher aus und trugen ihre Grußworte auf Deutsch, Englisch und Französisch vor.

Und alle zusammen: Ein Höhepunkt des Galakonzerts im Tölzer Kurhaus war der gemeinsame Auftritt aller drei Knabenchöre. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der gastgebende Tölzer Knabenchor zeigte sich in glänzender Verfassung. Stimmschön, klangrein und textdeutlich gestalteten die Tölzer unter ihren Chorleitern Christian Fliegner und Clemens Haudum das geistliche wie auch das weltliche Programm. Einmalig der romantische Chorklang bei Brahms' "Waldesnacht" und Mendelssohns "Warum toben die Heiden", präzise wie ein Uhrwerk der Rhythmus bei Orffs "Tanzliedern", mitreißend das Beatles-Medley. Die Bach-Motette "Komm, Jesu, komm" gehört ohnehin zum Kernrepertoire der Tölzer. Und natürlich konnte der Chor für alle Stimmlagen auch die Solisten stellen. Besonders hervorzuheben: Anselm Sibig, der im Management eine wichtige Rolle bei der Organisation spielte, brillierte als Tenorsolist.

Der französische Knabenchor Les petits chanteurs à la croix de bois, auch The little singers of Paris genannt, irritierte zunächst durch sein strenges Auftreten. Bei beiden Konzerten im Kurhaus hielten die jungen Sänger ihre Hände fest hinter dem Rücken verschränkt, beim Aufmarsch ebenso wie beim Singen, Verbeugen und Abtreten. Und in der Kirche versteckten sie die Hände in den weiten Ärmeln der weißen Chorgewänder. Musikalisch boten die Franzosen einen eher kühlen, nüchternen Klang. Auch dieser Chor hatte seine eigenen Solisten, die nicht ganz Tölzer Qualitäten erreichten. Schade, dass den meisten Solosängern nicht einmal eine eigene Verbeugung gegönnt wurde: War das Solo vorbei, verschwanden sie in der Masse.

Die Tölzer Knaben gestalteten tags darauf mit den "Little Singers of Paris" auch die Sonntagsmatinee in der Stadtpfarrkirche. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Umstand, dass die Franzosen trotz sehr ansprechender Leistung das schwächste Glied in der Kette darstellten, zeigt das außerordentliche Niveau dieses Festivals. Die große Stärke des dritten Chors, der London Oratory Schola, waren die weit gespannten Bögen, die perfekte Technik des chorischen Atmens, aber auch die berückend schönen Piani und die ruhig-gleichmäßigen Crescendi und Decrescendi. Werke wie "The silver swan" von Orlando Gibbons, "If music be the food of love" von Henry Purcell oder "The blue bird" von Charles Villiers Stanford kann man fast nicht besser singen. Aber auch bei geistlicher Musik fühlten sich die jungen Sänger zu Hause. An den Forte-Stellen störte gelegentlich der überlaute Tenor das Gleichgewicht der Stimmen, besonders bei der geistlichen Matinee, doch die leisen Momente waren unübertroffen.

Es gehört zum Konzept des Knabenchorfestivals von Anfang an, dass die Chöre in allen Konzerten zunächst ihre eigenen Programme vortragen und erst am Ende gemeinsam singen. Auch diesmal war es so, wobei die drei Klangkörper - trotz aller Verschiedenheit - erstaunlich gut verschmolzen. Bruckners "Ave Maria" hat man selten so klangmächtig erlebt. Bei der vorletzten Nummer im Kurhaus, der "Hymn to the mother of god" von John Tavener, blieben die Franzosen und Engländer auf der Bühne, während sich die Tölzer am gegenüberliegenden Saalende aufstellten. So wurde der gesamte Kursaal zu einem riesigen, schwingenden Instrument. Nach dem Volkslied "Kein schöner Land", mit dem das offizielle Programm ausklang, kannte die Begeisterung des Publikums keine Grenzen, so dass die jungen Sänger das "Ave Maria", das sie mittags bereits in der Kirche gesungen hatten, im Kurhaus als Zugabe wiederholten.

Stimmgewaltig: die "Little Singers of Paris". (Foto: Harry Wolfsbauer)

Am Sonntag gestalteten die Little singers of Paris den evangelischen Gottesdienst, während die London Oratory Schola mit dem Tölzer Knabenchor die Messe in der Stadtpfarrkirche untermalte. Dabei standen die Chöre nebeneinander im Altarraum und sangen zumeist einzeln, nur bei den Bruckner-Motetten gemeinsam. "So sollte es jeden Sonntag sein", rief Pfarrer Demmelmair zum Schluss aus.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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