Delegiertenkonferenz:Sozial statt neoliberal

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Kreis-SPD befasst sich mit Europa und kritisiert Söder

Von Klaus Schieder, Kochel am See

Für Parteien, die in den nächsten Monaten um Sitze im Landtag kämpfen, kann es ein wenig lästig sein, wenn sie sich zwischendurch schon um die Europawahl 2019 kümmern müssen. Die Kreis-SPD hatte zur Delegiertenkonferenz am Donnerstagabend in das Gasthaus zur Post nach Kochel geladen, um die beiden Abgesandten zu wählen, die dann über die Kandidaten für die bayerische Landesliste mit abstimmen. Nicht eben ein prickelnder Anlass für eine Versammlung. Von 26 Delegierten waren jedoch immerhin 24 gekommen. "Das ist fast 100 Prozent Vollzähligkeit, das soll uns mal einer nachmachen", sagte Kreisvorsitzender Wolfgang Werner. Der Geretsrieder wurde ebenso als Delegierter gewählt wie seine Vorgängerin Gabriele Skiba aus Wolfratshausen.

Damit hätte die Konferenz nach 20 Minuten bereits zu Ende sein können. Um sie für die Mitglieder lohnenswert zu machen, stand allerdings ein Vortrag des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Barthel in seinem Heimatort an. Die Frage, ob man für oder gegen Europa sei, bezeichnete er als "sinnlose Debatte". Entscheidend sei vielmehr, welches Europa man haben wolle, sagte Barthel. Konservative und Liberale betrachteten die Europäische Union lediglich als "eine Art bewaffnete Freihandelszone", ihnen gehe es um den freien Markt und inzwischen auch um eine gemeinsame Armee - um mehr jedoch nicht. Die neoliberale Politik der vergangenen Jahren bezeichnete er als einen Nährboden für Rechtsradikalismus.

Der falsche Umgang mit der Finanzkrise 2008 habe zu einer tiefen Spaltung in Europa in arme und reiche Länder geführt, sagte der Bundesvorsitzende der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA). Das Spardiktat von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des ehemaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble habe in den südlichen Ländern wie Griechenland, Spanien oder Süditalien zu einer massiven Verarmung breiter Bevölkerungsschichten und zu enorm hoher Jugendarbeitslosigkeit geführt. "Das ist eine verlorene Generation." Es sei "gespenstisch", was man in diesen Ländern angerichtet habe, findet Barthel.

Dies sind für ihn auch Gründe, warum rechtsradikales Gedankengut immer wieder verfängt. Dabei dienten Abschottung und die Rückkehr zu konkurrierenden Nationalstaaten in Ländern wie Ungarn nur dazu, die innenpolitischen Defizite zu überdecken und "einen Feind zu finden, der Schuld an allem ist". Jahrhundertelang seien Juden die Sündenböcke gewesen, nun seien es islamische Flüchtlinge.

Auch dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) warf Barthel vor, mit dem Kruzifix-Erlass für Behörden davon ablenken zu wollen, was im Freistaat sei vielen Jahren schief laufe - von der Wohnungspolitik bis hin zum Stellenabbau bei Polizei und Ämtern. Die ehemalige Kreisrätin Monika Hoffmann-Sailer meinte sogar, dass Söder so das umstrittene Polizeiaufgabengesetz ohne Lärm durchdrücken wollte.

Die SPD müsse all diesen Strömungen ein soziales Europa entgegen setzen, sagte Barthel. Dazu gehörten in allen EU-Ländern unter anderem Standards beim Mindestlohn, eine vom Finanzsektor bezahlte Einlagensicherung bei den Banken oder auch eine Regulierung, die Unternehmen wie Facebook, Uber und Amazon dazu zwingt, Steuern in Europa zu zahlen. Barthel hob hervor, dass die Vorschläge des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zur Zukunft Europas zwar in Vielem noch abstrakt seien, doch müsse man mit ihm darüber reden. Merkel gebe Macron hingegen "nie eine Antwort, was sie will und was nicht". Karl Probst aus Lenggries warnte davor, Macron als Säulenheiligen zu sehen. In Europa müsse "das Primat der Politik über die Wirtschaft" wieder hergestellt werden, forderte Probst. Gerade dies sei die Aufgabe der SPD.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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