Benediktbeuern:Wie man ein altes Haus warm bekommt

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Forschung auf der "gläsernen Baustelle": Das Fraunhofer-Institut in der Alten Schäfflerei des Klosters Benediktbeuern erprobt Methoden, die auch mit dem Denkmalschutz vereinbar sind

Von Ingrid Hügenell, Benediktbeuern

Wer ein altes, denkmalgeschütztes Gebäude besitzt oder sich zuweilen in einem aufhält, kennt das Problem: So ein Haus ist im Winter kaum warm zu bekommen. Über die Fenster heizt man die Umgebung gleich mit, Wände und Dach sind nicht gedämmt, es gibt Schwierigkeiten mit Feuchtigkeit. Wie man auch solche Gebäude energetisch sanieren und dabei die Vorschriften des Denkmalschutzes einhalten kann, das erforscht die Fraunhofer-Gesellschaft seit 2010 in der Alten Schäfflerei in Benediktbeuern. An diesem Freitag, 18. November, wird das Zentrum für energetische Altbausanierung und Denkmalpflege offiziell eröffnet, am Nachmittag gibt es Themenführungen für die Öffentlichkeit.

Der Saal der Alten Schäfflerei dient als Ausstellungsraum. (Foto: Manfred Neubauer)

Wenige Tage vor der Eröffnung ist noch viel zu tun. Vier Männer schleppen ein Ausstellungsstück in den großen Saal im ersten Stock. Weiße Fließbahnen schützen die Flächen vor Schmutz, auch den historischen Holzboden des Saals. Mittendrin ist Christine Milch, die das ganze Zentrum und auch alle Arbeiten vor der Eröffnung koordiniert und von Anfang an dabei war. "Das war ein sehr rustikaler Zustand damals", sagt die 37-Jährige.

Die Alte Schäfflerei gehört zum Kloster Benediktbeuern und stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Als das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) sie 2010 übernahm, war das denkmalgeschützte Gebäude ziemlich baufällig. Seither ist es saniert worden, und wer wollte, konnte dabei zuschauen. Denn das IBP nutzt die Schäfflerei als "gläserne Baustelle". "Wir sind ein lebendiges Forschungszentrum", sagt Innenarchitektin Milch. Immer wieder fanden während der Sanierungsphase Workshops und Seminare für Architekten, Ingenieure, Handwerker, Denkmalpfleger, Bauherren und auch Kommunen statt. Sehr beliebt waren die Führungen am Tag des offenen Denkmals. All das soll es auch künftig geben, denn fertig saniert ist das Gebäude noch nicht. "Wir lassen uns die Zeit, in den übrigen Räumen weiterzuforschen", sagt Milch.

Die Alte Schäfflerei gehört zum Kloster Benediktbeuern und stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. (Foto: Manfred Neubauer)

Ein großes Thema: die energetische Ertüchtigung alter Fenster. "Dafür interessieren sich auch die Salesianer", sagt Milch. Das Kloster, das dem Salesianer-Orden gehört, verfügt über viele alte, einfach verglaste Fenster. Kunststofffenster sind da keine Alternative. Umso interessanter sind die Forschungen, wie man alte Sprossenfenster so sanieren kann, dass sie die Wärme im Haus halten.

Immer wieder stießen die Fraunhofer-Experten auf neue Schäden, an denen sie forschen konnten: Für morsche Holzteile in der Konstruktion des Fußbodens im ersten Stock zum Beispiel werden sieben Varianten der Instandsetzung untersucht. Und immer wieder taucht die Frage auf: Wie bekommt man ein so altes Gebäude warm, ohne permanent mit großem Energieaufwand heizen zu müssen?

Christine Milch und Theo Großkinsky zeigen Dämmstoff aus Rohrkolben. (Foto: Manfred Neubauer)

Im großen Saal werden zehn Materialien getestet, mit denen man Wände von innen dämmen kann. Forscher wie Besucher können sie durch gläserne Sichtfenster begutachten. Darunter sind reine Naturmaterialien wie Typha, ein Werkstoff aus Rohrkolben, von dem Theo Großkinsky vom IBP völlig begeistert ist, weil das Material nicht nur sehr gute Dämmeigenschaften habe, sondern zudem umweltfreundlich anzubauen und auch zu recyceln sei. Erprobt wird auch ein extrem leichter, hochporöser Stoff auf Silicatbasis, Aerogel. Das erinnert an Milchschaum, es hat aber viel feinere Poren, im Nanobereich, wie Bernd Pfundstein vom IBP erklärt. Durch die winzigen Poren und die riesige Oberfläche des federleichten Aerogels geht viel weniger Wärme verloren als bei anderen Dämmstoffen. Aerogel kann man auf Außen- wie an Innenwänden verbauen. Wenige Zentimeter dicke Platten reichen, die man auf denkmalgeschützte Fassaden aufbringen kann, ohne deren Gestaltungsmerkmale wie etwa Fenstergesimse zu zerstören.

Im Zusammenhang mit den Dämmmaterialien werden Wandheizungssysteme erprobt, so dass Aussagen zur Energieeffizienz möglich werden. Überall, wo saniert wurde, sind Sensoren eingebaut, mehr als 200 messen Temperatur, Luftfeuchte oder Wärmefluss, zwölf Anlagen zur Messwerterfassung sind im Einsatz. Die vielen Daten ermöglichen es, die Materialien und Methoden zu vergleichen und in ihrer Wirksamkeit einzuschätzen.

Im Sinne des Denkmalschutzes bleiben neue Einbauten wie die Treppe in den ersten Stock sichtbar. Die verwendeten Materialien und Techniken sollen zudem rückgebaut werden können, ohne dass das Gebäude dabei beschädigt wird. Das IBP hat beispielsweise einen speziellen Putz entwickelt, der auf die Original-Mauer aufgebracht wird, bevor die Dämmung darauf kommt. Er kann einfach wieder abgezogen werden. Der Schutz-Putz ist zum Patent angemeldet, wie Milch erklärt. Das Zentrum ruhe sozusagen auf vier Säulen: Forschung, Demonstration, Wissenssammlung, Wissensvermittlung. Das IBP arbeitet mit Partnern aus der Industrie zusammen und hat Stiftungen, Kreditinstitute, Ministerien und Kommunen als Förderer.

Zur Eröffnung am Freitag finden vormittags Fachvorträgen statt. In diesem Rahmen erhält das Zentrum einen Preis: Die Jury des bundesweiten Innovationswettbewerbs "Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen" prämiert es als eines der hundert besten Vorhaben. Von 15 Uhr an finden öffentliche Themenführungen durch die Alte Schäfflerei statt.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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