Benediktbeuern:Wallfahrer trotzen Regen und Schnee

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Nur etwa 1500 Schaulustige verfolgen die Leonhardifahrt in Benediktbeuern. Die Wagenlenker und Reiter selbst haben indes kein Problem mit dem schlechten Wetter dank warmer Bekleidung und ein paar Stamperl Schnaps

Von Petra Schneider, Benediktbeuern

Ach, Petrus, mit den Leonhardifahrern am Sonntag in Benediktbeuern hatte der Heilige kein Erbarmen: Es regnet in Strömen, das Thermometer zeigt vier Grad. Auf dem Weg zum Aufstellplatz beim Café Lugauer sind um halb neun nur wenige Besucher unterwegs. Farbenprächtig sind höchstens die aufgespannten Regenschirme. Ein Sauwetter, "und des gfreit mi natürlich ned", sagt Leonhardilader Helmut Waxenberger. Wochenlang ist er von Hof zu Hof gefahren und hat die Rosserer aus der Gegend alle persönlich eingeladen, wie es der Brauch ist. 47 Gespanne sind es in diesem Jahr, die weitest entfernten sind aus Siegertsbrunn, Sauerlach und Peißenberg gekommen.

Anders als in Bad Tölz wird die Reihenfolge nicht ausgelost. Waxenberger stellt sie nach einem erprobten System auf. Seit 2002 ist er Leonhardilader, bei der Wallfahrt dabei ist er seit mehr als 40 Jahren. In Benediktbeuern fahren hauptsächlich Tafelwagen, erzählt der 73-Jährige. Eigentlich Heuwagen, die in wochenlanger Arbeit von den Frauen mit Ringen, Rauten, Kreuzen aus Buchs, Flechten, Dachsen oder Moos geschmückt werden. Bei der Tölzer Leonhardifahrt sind es hauptsächlich Truhenwagen. Ehemalige Mistwagen, wie Waxenberger sagt. "Aber des schreibst ned, sonst san die Tölzer glei no beleidigt."

Seit dem Jahr 1881 gibt es die Wallfahrt zu Ehren des heiligen Leonhard in Benediktbeuern. In den Kriegsjahren 1941 bis 1944 fand sie nicht statt, abgesagt wurde sie nur einmal: Im Jahr 1995, "weil da so viel Schnee war, dass die Gespanne gar nicht bis nach Benediktbeuern gekommen sind", sagt Waxenberger. Die Leonhardifahrer sind hart im Nehmen. Schließlich sei das eine Wallfahrt, und da könne man sich das Wetter nun mal nicht aussuchen, heißt es allenthalben.

Gegen den Regen schützen sich die Teilnehmer mit Plastikplanen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit halb vier in der Früh sind Johann Höck und seine Schwester schon auf den Beinen, haben die Rösser angeschirrt und sind in Beuerberg losgefahren. Die vier Kaltblutdamen Ricarda, Rihanna, Romina und Rebekka stehen stoisch am Sammelplatz im Regen und warten. Schlechtes Wetter sind sie gewöhnt, sie stehen das Jahr über auf der Weide. An Leonhardi müssen sie richtig arbeiten: Gut eineinhalb Tonnen wiegt ein Tafelwagen samt Mitfahrerinnen, schätzt Waxenberger. Auch die haben sich für das schlechte Wetter gerüstet: Mantel über dem Schalk, dicke Strumpfhose unter dem Rock. Über die empfindlichen Hüte haben sie eine Duschhaube gezogen. Das Kirchengewand für Leonhardi, das sei aus einem wärmeren Stoff als etwa die Tracht zum Fronleichnamsumzug, erzählt eine Trachtlerin aus Benediktbeuern. Mit dem Fuchspelz und warmen Schuhen, "da geht des scho".

Um neun Uhr setzen sich die Wallfahrer in Bewegung, die Musikkapellen spielen, das Glockengeläut der Gespanne hallt durchs Dorf. Die Benediktbeurer Ministranten halten einheitlich rot-weiße Schirme über die Köpfe. Glück haben die Honoritäten der "Pfarrgeistlichkeit", die in geschlossenen Kutschen fahren dürfen. Entlang der Straße haben sich nun doch etliche Zuschauer eingefunden, wenn auch viel weniger als sonst. 1500 dürften es sein, schätzen ein paar Feuerwehrler. Im Vorjahr, bei Bilderbuchwetter, waren es an die 10 000. Für Familie Eberl aus Obersteinbach gehört die Benediktbeurer Leonhardifahrt einfach dazu. "Man kennt die Leute, und das ist Tradition", sagt Gabriele Eberl. Ihre Kinder seien jahrelang mitgefahren. Sie erinnert sich noch gut, wie sie in stundenlanger Arbeit die filigranen Krönchen aus Pappe gebastelt hat, die mit Golddrähten und Perlen verziert werden und an diesem Sonntag zum Schutz unter Plastikhäuten verschwinden.

Besonders schön findet Sepp Linderl die Truhenwagen, die in mindestens zweiwöchiger Arbeit von den Frauen geschmückt werden. "Bei den Mannsbilderwagen hast du des ned, weil die eh scho schee san", sagt der Benediktbeurer und lacht. Er ist als Zuschauer gekommen, 40 Jahre lang hat er bei der Beira Blaskapelle die Tuba gespielt. Dass es heuer den Blechblasinstrumenten "nass nei geht", sei nicht schlimm. "Des macht den Instrumenten nix aus", sagt er.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Wer sein Pferd liebt, der spricht mit ihm.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Nur eine Szene von vielen...

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

...bei der Benediktbeurer Leonhardifahrt.

Pünktlich um zehn Uhr sind alle Wagen im Klosterinnenhof angekommen, das Einweisen, das Waxenberger "verschachteln" nennt, ist kompliziert. Das Gras hat sich vollgesogen und schmatzt bei jedem Schritt. Langsam geht der Regen in Schnee über. Vor dem Durchgang sind Buden aufgebaut: Es riecht nach Glühwein und Würstel. Unter den Arkaden segnet Generalvikar Harald Heinrich aus Augsburg die etwa 200 Pferde. Die Schützen stehen Spalier, die Männer ziehen im Vorbeireiten den Hut. Beim Festgottesdienst ist die Basilika gut gefüllt. Viele bleiben draußen, obwohl es dicke Flocken schneit.

Unter den Arkaden wird es trotzdem gemütlich: Die Frauen holen ihre Plätzchen-Dosen aus den Wagen, die Kinder essen Würstel mit Senf, es wird geratscht und ein bisschen "gschnapserlt". Zum Aufwärmen. Und nur für Bekannte, wie Waxenberger betont, der selber lieber ein Plätzchen nimmt, weil er am Abend beim Leonharditanz in der "Post" noch eine kleine Rede halten muss.

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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