Benediktbeuern:In einem fremden Land

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Im Loisachtal pflegen Flüchtlinge enge Beziehungen zu Familie, Freunden und ehrenamtlichen Helfern. Ansonsten haben sie fast keine Kontakte. Dies zeigt ein Projekt der Katholischen Hochschule Benediktbeuern

Von Klaus Schieder, Benediktbeuern

Die Familie, die Freunde, die ehrenamtlichen Helfer: Das sind die Menschen, zu denen Flüchtlinge nach ihrer Ankunft im Loisachtal in engem Kontakt stehen. Dagegen sind ihre Verbindungen zu den Bediensteten in den Ämtern oder zu Sozialarbeitern eher sporadisch. Mit anderen Einheimischen haben sie so gut wie keine Beziehungen. Dies sind die Ergebnisse der Projektarbeit "Ankommen im Loisachtal", die Professor Egon Endres und Studenten von der Katholischen Stiftungsfachhochschule (KSFH) Benediktbeuern am Montagabend vorstellten. Zur Frage, welche Vernetzungen den Flüchtlingen nach ihrer Ankunft in Deutschland helfen, gebe es bundesweit noch keine Erhebungen, sagte Endres.

25 Interviews führten 22 Studierende der KSFH mit Asylsuchenden, die auf der Flucht waren und nun in Bad Heilbrunn, Benediktbeuern und Kochel leben. Die Befragungen dauerten jeweils eine bis anderthalb Stunden. Die jungen Leute wollten wissen, wer hierzulande die wichtigsten Personen für die Flüchtlinge sind, wer die Neuankömmlinge in der Anfangszeit am meisten unterstützt, an wen sie sich wenden, wenn es ihnen mal nicht gut geht, und wo sie noch Hilfe im Alltag benötigen.

Mit den Antworten fertigten sie trichterförmige Netzwerkkarten, die ein klares Bild ergaben. Zwei Drittel der Flüchtlinge haben enge Beziehungen zu Personen in ihrem Heimatland, mehr als die Hälfte hält ständigen Kontakt zu Familienmitgliedern. "Die Familie spielt die zentrale Rolle", erläuterte Studentin Annabell Sofie Dorn. Außerdem seien viele Asylsuchende international gut vernetzt, "jeder Zweite hat Kontakt zu Freunden und Bekannten in anderen Ländern oder in anderen Orten Deutschlands". Dagegen gab nur ein Drittel der Befragten an, eine Verbindung zu Mitbewohnern in Asylunterkünften zu haben - "das sind aber keine stark ausgeprägten Kontakte", so Dorn. Zur einheimischen Bevölkerung gibt es kaum Berührungspunkte. Mit einer großen Ausnahme: die ehrenamtlichen Helfer. "Fast alle Interviewten kategorisieren sie als sehr enge Beziehung", sagte Dorn.

Noch einen anderen Aspekt förderte das Projekt der Studenten zutage: Je jünger ein Flüchtling ist, desto eher gelingt es ihm, einen Umgang mit deutschen Altersgenossen zu finden. "Die Vernetzung der Kinder gelingt besser durch Schule, Kindergarten und Vereine", sagte Student Johannes Faller. Das liege vor allem daran, dass sie leichter Deutsch lernten als Erwachsene. Dagegen bleiben Familien und ältere Flüchtlinge unter sich. "Nur wenige können gut Deutsch, das ist ein Grundproblem." Hinzu kommt die psychische Belastung. Im Kopf haben sie noch die Bilder von Krieg und Not in ihrer Heimat und auf der Flucht, im Alltag plagt sie die Angst vor dem, was kommt, ob ihr Asylantrag genehmigt wird oder nicht. Die Flüchtlinge, sagte Faller, "sind zwischen Hier und Dort".

In ihrem Projekt machten sich die Studenten auch Gedanken über Wege zu einer besseren Integration. Sie plädieren für mehr Freizeitangebote, gerade für Gruppen wie Frauen oder ältere Personen unter den Flüchtlingen. Als wichtig sehen sie auch Begegnungsformen für Asylbewerber und Einheimische, die in Bad Tölz etwa der neue "Welt-Raum" am Vichyplatz bietet. Zudem sollten ihrer Ansicht nach der Busverkehr verbessert oder ein Fahrservice geschaffen werden, um die Menschen zu Ämtern und Beratungsstellen zu bringen. Ein zentraler Punkt seien auch Jobmöglichkeiten, so Faller. Und noch etwas brauchen die Asylsuchenden: einen sicheren Aufbewahrungsort für Geld und Wertsachen in den Unterkünften.

Die eher losen Kontakte zwischen Flüchtlingen und professionellen Helfern erklärte Renate Reyer-Gellert vom Verein "Hilfe von Mensch zu Mensch" unter anderem damit, dass die Asylsozialberatung erst zu Jahresbeginn im Loisachtal vollends installiert wurde. "Es gab längst Beziehungen zu den Ehrenamtlichen, dann erst kam die professionelle Schiene dazu." Einen Appell an die Studenten richtete Rudi Mühlhans vom Trägerverein Jugendarbeit in Geretsried. Er forderte sie auf, mit den Flüchtlingen etwas zu unternehmen. "So erreichen wir das Ziel des Zusammenwachsens viel schneller."

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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