Balance zwischen Technik und Dienst am Menschen:Roboter im Altenheim

Lesezeit: 2 min

Probeliegen im neuen Rettungswagen: BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk (re.) ließ sich von Laura Lindner (li.) die Datentechnik beim "Markt der Möglichkeiten" im Tölzer Bergwachtszentrum erklären. (Foto: Manfred Neubauer)

Roboter im Altenheim: Rotes Kreuz stellt digitale Neuerungen vor

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Der Roboter erinnert ein wenig an ein Segwheel - jenes neumodische Elektro-Zweirad, auf dem ein Mensch aufrecht auf einem Brett steht und sich an einem Lenker festhält. Die Füße bestehen aus einer großen Rolle, der Körper ist eine dünne Stange, der Kopf ein rechteckiger Monitor. Von einem Computer aus wird dieser sogenannte Telepräsenzroboter zum Leben erweckt. Der Nutzer kann ihn vom PC aus steuern und sich unter anderem eines Videokonferenzsystems wie Skype bedienen, sein Gesicht erscheint dann im Monitor des Roboters. Der Bewohner eines Altenheimes könnte auf diese Weise mit einem Angehörigen reden, der viele Kilometer entfernt wohnt, zum Beispiel auch während eines Spaziergangs. Diese Technik steigere die Effizienz und schone Zeitressourcen, sagt Markus Ruckdeschel, BRK-Leitstellenleiter in Bayreuth, beim "Markt der Möglichkeiten" des Bayerischen Roten Kreuzes im Tölzer Bergwachtzentrum.

So faszinierend der schlanke Roboter anmutet, so unheimlich wirkt er auch. Sieht so - mangels Personals - die Zukunft der Altenpflege aus? "Es ist wichtig, dass dies nicht die menschliche Ansprache ersetzt", betont Gabriele Uitz, Pressesprecherin der BRK-Landesgeschäftsstelle. Aber angesichts der Personalprobleme sei es schon gut, dies als "Back up" zu haben. Der Roboter hat inzwischen vor einem neuen Einsatzwagen des BRK gestoppt. "Hören Sie mich?", fragt Ruckdeschel via Bildschirm, während er selbst an einem circa 20 Meter entfernten Tisch steht. "Ja, wir hören Sie", bekommt er von ein paar Teilnehmern der Ausstellung zur Antwort.

In dem neuen BRK-Fahrzeug gibt es die Möglichkeit, dass die Rettungskräfte auf einem Begleitstuhl angeschnallt bleiben und dennoch das Tastenfeld am Computer bedienen können. Schon jetzt ist es möglich, während der Fahrt die Daten des Patienten an das Krankenhaus zu senden. Allerdings sei dies noch nicht mit allen Kliniken möglich, sagt BRK-Abteilungsleiter Andreas Estermeier. Dazu benötige man erst einmal ein flächendeckendes Mobilfunknetz, ergänzt Leonhard Stärk, Landesgeschäftsführer des Roten Kreuzes. Inzwischen haben die BRK-Einsatzkräfte auch die Chance, die Versorgung von Patienten über eine App digital und in Echtzeit zu üben. Weitere Themen auf dem "Markt der Möglichkeiten" waren etwa effiziente Hilfe nach Schlaganfall, die Flüchtlingsarbeit, die Notfallversorgung nach einem kompletten Stromausfall oder auch der Einsatz digitaler Technik beim Blutspendedienst.

Das Rote Kreuz in Deutschland sei inzwischen rund 150 Jahre alt, "aber wir zeigen, dass wir trotzdem lebendig sind und weiterhin modern bleiben", sagte BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer. Von dem Gedanken, die Ausstellung im Tölzer Bergwachtzentrum zu veranstalten, sei sie sofort begeistert gewesen, "weil wir hier die Möglichkeit haben, die breite Vielfalt unseres Roten Kreuzes vorstellen zu können". Die Idee sei zusammen mit der Bergwacht in einer Debatte über den Einsatz von Drohnen entstanden, sagte der stellvertretende BRK-Landesgeschäftsführer Wolfgang Obermair. Man habe eine Plattform gesucht, um Top-Ideen auszutauschen, und sich gefragt, "welche Plattform, welches Design brauchen wir". Früher habe es Schreibmaschinen, Kugelschreiber, Akten und lange Schränke gegeben, "da war es eine Sisyphosarbeit, daraus Erkenntnisse zu ziehen", sagte Landrat und BRK-Kreisvorsitzender Josef Niedermaier (FW). Mit der Digitalisierung seien für viele nahezu alle Daten abrufbar. Ein Beispiel: Seine Abiturnote sei irgendwo im Keller der Schule abgeheftet, inzwischen wäre sie sicher im Datennetz zu finden. "Die künstliche Intelligenz verbindet Daten, und es entsteht ein Wissen, das für uns unglaublich, vor allem in der Geschwindigkeit unglaublich ist", so Niedermaier. Dies verstöre zunächst einmal. Aber die Vorteile der Digitalisierung überwiegen seiner Ansicht nach. "In der Altenpflege kann man sich viel schneller ein Bild über den Patienten machen, wenn man seine Vorerkrankungen kennt." Allerdings müsse der Umgang mit den Daten in einem gesellschaftlichen Konsens geregelt werden, sagte der Landrat.

Die neue Technik darf für Leonhard Stärk jedoch kein Selbstzweck sein. Sie werde die Abläufe, die Reaktionszeit und die Organisationsstruktur des Roten Kreuzes stark verändern, sagte der BRK-Landesgeschäftsführer. Aber Tempo dürfe nicht vor Qualität gehen. "Wir arbeiten immer noch am Menschen, und bei aller Innovation steht der Mensch im Mittelpunkt unserer Arbeit."

© SZ vom 09.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: