Bad Tölz:Tonales Kaminfeuer

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Augen zu und durch? Nein, Augen zu und in die Musik eintauchen: Oliver Mally, genannt Sir, gab zusammen mit Hubert Hofherr ein besonderes Konzert. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Oliver Mally und Hubert Hofherr geben ein Blueskonzert voller Glücksmomente

Von Petra Schneider, Bad Tölz

In diesen kalten Zeiten ist es gar nicht einfach, Leib und Seele auf Betriebstemperatur zu halten. Wer am Sonntagabend ins Gasthaus gekommen ist, hat eine satte Dosis wärmender Glücksmomente abbekommen. Zumindest Bluesfans, die von Oliver Mally, dem Mann mit der Gitarre und dem Künstlernamen Sir, sowie dem scheuen Mundharmonika-Magier Hubert Hofherr verwöhnt wurden. Drei Mal haben der Steirer Mally und der Niederbayer Hofherr schon im Gasthaus gespielt. "Und es zeugt von Mut, eine Formation zum vierten Mal einzuladen, die zuvor auch nicht dazu geführt hat, dass das Lokal wegen Überfüllung geschlossen werden musste", sagt Mally. "Deshalb einen frenetischen Applaus für die Veranstalter, die handgemachter Live-Musik immer wieder eine Plattform bieten." Etwa 25 Leute sind am Sonntag gekommen - eingeschworene Fans, die die familiäre Atmosphäre im Gewölbekeller und die Nähe zu den Künstlern genießen, die kaum einen halben Meter entfernt auf der Bühne stehen. Einige Gäste sind schon zum viertel Mal dabei, können offenbar nicht genug kriegen von dieser Musik: Vom groovigen Blues und den sanften Balladen, die Mally mit geschlossenen Augen spielt, ganz versunken in seine Musik. Bei den Harp-Soli seines Kollegen Hofherr strahlt er selig und fast ein bisschen überrascht, welche musikalischen Wunder hier geschehen. Denn Hofherr, der Mann mit dem dunklen Wuschelkopf, der eine Holzschatulle voller Instrumente mit dabei hat, sei nicht nur "ein ganz lieber Freund" und der "bestfrisierte Musiker Deutschlands". Sondern auch "einer der ganz großen Mundharmonika-Spieler". Das ist zweifellos richtig: Seine Töne schnarren und schmatzen, formen geschmeidige Melodiebögen oder fordern heraus mit intensiven, hohen Tönen. Und man fragt sich, woher nimmt der Mann die Luft? Wenn er sich mit ganzem Körper einschwingt in einen Song und das Handteller kleine Instrument ansetzt, dann wirkt das zärtlich wie bei einem Kuss. Eine symbiotische Beziehung, vermutlich ist die Hohner längst Teil seines Körpers. Hofherr ordnet sich den Songs unter: Hält sich leise im Hintergrund, mäandert in langen Variationen durch ein Stück oder gibt ihm dynamischen Drive. Auch der Sir behandelt seine Gitarre mit Bedacht und Respekt: Schließlich ist seine Akustische eine betagte Dame von 86 Jahren. Ramponiert und ein wenig verlebt sieht die hölzerne Lady aus, der Tonabnehmer ist mit blauem Isolierband aufgeklebt. Erst seit gut drei Jahren spielen die beiden Musiker zusammen und wirken dennoch eingespielt wie ein altes Ehepaar. Ein Blick genügt, ein anfeuerndes "Ja" des Sir, ein Zulächeln und Nicken. Am Sonntag spielen sie eigene Stücke von Mally - etwa die wunderbare Ballade "Butterfly Girl", Perlen von John Lee Hooker, Tom Waits, Bob Dylan und die vertonte, poetische Geschichte "The Cape" von Guy Clark: "He did not know he could not fly, and so he did", heißt es darin über den Jungen, der sich mit einem Umhang vom Garagendach stürzt. Auch eine komische Nummer mit einem merkwürdigen Instrument gibt es am Sonntag: Einer Kazoo, die quäkt wie eine Clownströte.

Im Jahr 1999 wurde der 50-jährige Mally vom Musikmagazin "Concerto" als bester Blues-Rootskünstler Österreichs ausgezeichnet, mit seiner 2015 aufgelösten Band "Blues Distillery" veröffentlichte er 24 Alben. Eine Coverversion von Bob Dylan ist einer der Höhepunkte des Abends: "Shelter From The Storm", ein wunderbares Liebeslied, das Mally langsam und gefühlvoll singt. Stecknadelstill ist es da im Gasthaus, die Zuhörer genießen und wünschen sich als Zugabe "Bad Boy", eine Eigenkomposition. Zum Schluss gibt es eine sechsminütige, intensive Reise durch die Zeit von Tom Waits: "Time". Und dann muss man wieder hinaus in die Kälte.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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