Bad Tölz:Nachmachen, bitte!

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Der Beirat (v.l.): Andreas Wiedemann, Diana Eichmüller, Horst Kürzeder, Margit Kirste, Armin Ebersberger, Oliver Hoffmann und Gerhard Grasberger. (Foto: oh)

Schwimmkurs für Kinder, Coach für Familien, Urlaub für Alleinerziehende: Der Hilfsfonds für Bedürftige hat Vorbildcharakter im Landkreis.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

An einem Abend, ehe er in den Urlaub in die Toskana fuhr, saß Oliver Hoffmann auf seiner Veranda. Damals, erzählt er, kam ihm der Gedanke, einen Hilfsfonds für arme Familien und Kindern zu gründen. Einen mit Spenden gefüllten Fördertopf, der immer dann geöffnet wird, wenn andere Zuschussquellen versiegen. In Kochel funktionierte das gut, nun zieht Bad Tölz mit dem "Kommunalen Unterstützungsfonds für Kinder Jugendliche und Familien" nach. "Schön, dass das an zwei Orten so gelingt", sagt Hoffmann. Aber er wünscht sich mehr. Im Landkreis könnten noch weitere Städte und Gemeinden seine Idee aufgreifen, hofft der Sozialpädagoge vom Verein Brücke Oberland. "Ich bin gerade dabei, Handreichungen zu entwickeln, die jede Kommune, die anfragt, haben kann und haben soll."

Bedürftige Kinder und Familien werden über die Jugendhilfe vom Staat finanziell unterstützt, manchmal bekommen sie auch Geld von Stiftungen, Organisationen und Vereinen. Ob sich solch ein Fonds da überhaupt lohnt? Und ob, meint Hoffmann. Seit der Landkreis seine Jugendarbeit auf Sozialräume umstrukturiert habe, "gibt es immer wieder Punkte, wo wir gemerkt haben, dass die Jugendhilfe nicht mehr greift und andere Fördertöpfe nicht vorhanden sind, um einen Bedarf zu decken". Dann, und nur dann, soll der Fonds einspringen. Als konkretes Beispiel nennt der Sozialpädagoge das Mutter-Kind-Café in Kochel. Das sei plötzlich nicht mehr gefördert worden, "wir hätten es einschlafen lassen müssen, obwohl es Sinn machte, es weiterzuführen". Um genau solche Fälle geht es Hoffmann.

Sein Grundkonzept ist variabel. Während die Spendengelder in Kochel für einzelne Notfälle ausgegeben werden, ist dies in Bad Tölz nicht nötig. Dort hat man dafür die Maria-Much-Stiftung für arme Tölzer Kinder. Deshalb hat der kommunale Sozialplaner Armin Ebersberger als Nutznießer des neuen Fonds eher größere Projekte im Blick, "von denen die ganze Stadtgesellschaft oder ein Teil von ihr profitiert". Die Spenden in Tölz kommen ausschließlich Familien und Kindern zugute, die im Stadtgebiet leben, worunter auch Asylsuchende fallen. Stadträtin Margit Kirste (FWG) kann sich etwa einen Zuschuss für einen Schwimmkurs der Integrationsklassen vorstellen. Mädchen und Buben aus Afghanistan und Pakistan könnten kaum schwimmen, sagt sie. Oft seien die Flüchtlingskinder, die übers Mittelmeer kamen, da auch traumatisiert, fügt Horst Kürzeder, Geschäftsstellenleiter der Raiffeisenbank im Oberland hinzu. Hoffmann fallen weitere Beispiele ein. Ein Coach für Familien, wenn ihr Kind vom Kindergarten in die Schule kommt und Probleme hat. Ein speziell ausgebildeter Betreuer in einem Verein, der sich um jene Kinder kümmert, die in dem Klub ohne ihn sonst nicht zurande kämen. Diana Eichmüller vom Jugendamt des Landkreises kann sich Spendenmittel für alleinerziehende Frauen in Tölz vorstellen, "damit sie mal ein verlängertes Wochenende haben und sich eine schöne Zeit machen können". Über die Behörde sei so etwas nicht immer möglich, weil diese nun mal ihre Richtlinien habe. Wenn eine Mutter frage, "ob ich ihr eine Nachmittagsbetreuung finanzieren kann, dann ist das nur in bestimmten Fällen möglich, oder gar nicht", erzählt Eichmüller. Solche Anfragen gebe es aus Bad Tölz genug.

Das Geld können Betroffene nicht selbst beim siebenköpfigen Fondsbeirat beantragen. Die Gesuche müssen über eine Einrichtung wie eine Schule, einen Verein, eine Organisation laufen. Das Gremium mit Vertretern der Stadt, des Landkreises, der Bürgerstiftung, der Brücke Oberland und der Raiffeisenbank im Oberland prüft die Anliegen in seinen vier Sitzungen pro Jahr. Man checke ab, "ob es diese Notlagen in Tölz gibt und ob dafür andere Finanzierungsmöglichkeiten vorhanden sind", sagt Ebersberger. Erst dann trete der neue Fonds ein. Auch das ist in Kochel anders, eine solche Vorauslese gibt es dort nicht.

Spenden können Unternehmen, Privatpersonen, Wirtschaftskreise, Clubs wie Lions oder Rotarier, Engagierte aus Gesellschaft, Kultur und Sport. Sie geben ein Spendenversprechen für ein Jahr oder, wenn sie möchten, auch für drei Jahre. Hoffmann fände es gut, wenn sich möglichst viele Geldgeber für die längere, rechtsunverbindliche Frist entscheiden würden. "Dann hätten wir ein bisschen Planungssicherheit", meint er. Den Fonds bezeichnet er als ein Produkt, das "Menschen in die Verantwortung bringen soll".

Träger ist die Bürgerstiftung Bad Tölz, die für die Spenden ein Konto einrichtet. Geplant ist in Bad Tölz eine Pilotphase von einem Jahr, ehe der Fonds endgültig konstituiert wird. Die Bürgerstiftung startet nicht mit leeren Händen. Ein privater Mäzen habe bereits 2000 Euro auf das Konto eingezahlt, sagt Gerhard Grasberger. Auch Zustiftungen seien möglich. Wie Hoffmann wünscht sich der Stiftungsvorsitzende, dass die Beispiele in Kochel und Tölz landkreisweit Schule machen: "Ich hoffe, dass es bei uns ein Erfolg ist und andere Gemeinden überzeugt werden, dass es so etwas braucht."

Informationen gibt es per E-Mail, unterstuetzungsfonds@bad-toelz.de, oder im Internet (www.bad-toelz.de). Spenden können auf das Konto, IBAN: DE 33 7016 9598 0103 6888 87, BIC: GENODEF1MIB, eingezahlt werden.

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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