Bad Tölz:Mammutaufgabe gemeistert

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Die Tölzer Johanneskantorei bietet Brahms' deutsches Requiem in der Klavierfassung

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Weshalb führt man ein Werk, das für groß besetztes Orchester geschrieben ist, in einer Fassung für zwei Klaviere und Pauken auf? Der erste Grund liegt auf der Hand: Drei Musiker kosten weitaus weniger als ein ganzes Orchester. Der zweite Grund hat eine musikalische Dimension: Für Laiensänger ist es nicht leicht, sich stimmlich gegen ein großes Orchester zu behaupten. Da muss es dann oft die Masse richten. Bei knapp 50 Sängern, die die Johanneskantorei Bad Tölz am Sonntagabend zur Aufführung des Deutschen Requiems von Johannes Brahms aufbot, hätte es schon kritisch werden können. In der kammermusikalischen Version mit Susanne Hofmann und Marie-Luise Göbel an den Klavieren sowie Stefan Blum an den Pauken waren solche Klangbalance-Probleme von vorneherein gebannt.

Allerdings birgt diese Besetzung andere Gefahren: Kleinere Unstimmigkeiten im Chor werden vom Orchesterklang eben auch gnädig zugedeckt; hier ist alles durchhörbar. Und die vielen Farben, die die Orchestrierung bietet, müssen Chor und Klaviere alleine malen. Eine Mammutaufgabe also für die Chorsänger - die die Tölzer bravourös bestanden.

Sicher gab es auch den einen oder anderen wackligen Einsatz und Intonationstrübungen, aber das dürfte man nur einem Profiensemble anlasten. Für Laiensänger sind die gewaltigen Brahmsschen Anforderungen schlicht nicht zur Gänze zu bewältigen. Die Johanneskantorei unter Leitung ihrer Kantorin Elisabeth Göbel (Stimmbildung: Andreas Pehl) braucht sich mit ihrer bemerkenswerten Leistung allerdings nicht zu verstecken. Die Aufführung berührte und nahm den Hörer mit. Der eröffnende Chor "Selig sind, die da Leid tragen" hätte vor dem Hintergrund der flexiblen Klavierbegleitung noch etwas verhaltener, stiller und gesammelter genommen werden können; er wirkte etwas zu direkt. Doch die Passage "Denn sie sollen getröstet werden" kam mit Überzeugungskraft und schuf eine dichte Atmosphäre.

Die Instrumentaleinleitung zum Chor "Denn alles Fleisch es ist wie Gras" gelang wunderbar dicht, mit schicksalhaft dräuenden Paukenschlägen; der Chor nahm die Stimmung auf. Der Höhepunkt "Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit" kam kraftvoll. Sehr schön abgeschattet die Einwürfe "und Schmerz und Seufzen", voller Elan "wird weg müssen", um sodann die "ewige Freude" überzeugend zu gestalten. Thomas Groppers Baritonsolo "Herr, lehre doch mich" kam mit demütiger Schlichtheit und wurde vom Chor eindrucksvoll fortgeführt. Die Chorfuge "Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand" gewann ihre volle Überzeugungskraft zwar erst mit dem Sopraneinsatz, ging aber überwältigend zu Ende. In wunderbarem Kontrast schloss sich das zarte, innige "Wie lieblich sind deine Wohnungen" an. Die österreichische Sängerin Stephanie Pfeffer, seit kurzem in der Region ansässig, gestaltete das fragile Sopransolo "Ihr habt nun Traurigkeit" mit anrührendem Ausdruck. Der Chor, der eingeflochten ist, hätte hier aber etwas verhaltener agieren können; er wirkte etwas zu vordergründig.

Das Baritonsolo mit Chor "Siehe, ich sage euch ein Geheimnis" war die einzige Nummer, die ohne Orchester defizitär wirkte: Die unglaubliche Wucht, die "Denn es wird die Posaune schallen" entfalten kann konnte hier nur annähernd erreicht werden. Der unmittelbar folgende Sopran-Einsatz "Selig sind die Toten" klang nach dem vorangegangenen Parforce-Ritt selten so ätherisch-schwebend, wie Brahms sich das gedacht hat, und wirkte etwas zu irdisch. Doch "Ja, der Geist spricht" kam sehr gesammelt. Dass nach dem Schlussakkord sogleich das Glockengeläut einsetzte und nach den letzten "Selig!"-Ausrufen einen Moment des Innehaltens schuf, ehe der verdiente Applaus losbrach, war schön und angemessen.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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