Bad Tölz:Jobsuche im Dialog

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Kontaktaufnahme: Unternehmen und Arbeitssuchende trafen sich bei der Jobmesse Oberland. (Foto: Manfred Neubauer)

Im Tölzer Landratsamt kommen Unternehmen und Arbeitssuchende direkt miteinander ins Gespräch. Neben Zeitarbeitsfirmen sind bei der ersten Jobmesse Oberland erstmals auch Branchen wie Hotelgewerbe, Bahn oder Bundeswehr vertreten

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Claus Bußjäger hat sich in Schale geworfen. Im dunklen Anzug und mit einer Mappe unterm Arm schlendert er durch die Jobmesse im großen Sitzungssaal des Tölzer Landratsamtes. Im Dreiviertelrund sitzen Vertreter von Unternehmen vor hohen Plakaten und hinter kleinen Tischen. Mit zwei Zeitarbeitsfirmen hat Bußjäger schon gesprochen und ist ganz zufrieden. Der Elektromeister aus Miesbach, der zuletzt als Servicetechniker tätig war, ist seit Anfang März arbeitslos. "Ich denke, dass man hier auf alle Fälle die Fühler ausstrecken kann, um an weitere Stellenangebote zu kommen", sagt er und setzt seinen Rundgang durch den Saal fort, in dem am Mittwoch dichtes Gedränge herrscht.

Jobmessen gab es im Landkreis früher bereits, dennoch ist diese ein Novum. Erstmals haben die Arbeitsagentur Rosenheim und das Jobcenter Bad Tölz-Wolfratshausen dazu nicht bloß Personaldienstleiter eingeladen. Die Branchen reichen von Hotellerie bis zu Gastronomie, von der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) über das Gesundheitswesen bis zur Bundeswehr. "Die Idee war es, Arbeitgeber zu gewinnen, die eine niedrige Eintrittsschwelle und die viele Jobmöglichkeiten haben", sagt Marinco Krstevski, Teamleiter des Arbeitgeber-Service bei der Arbeitsagentur. Da er mit zahlreichen Betrieben in engem Kontakt stehe, wisse er auch, wer von ihnen konstant Personalbedarf habe. Damit sie im Landratsamt nicht mehr oder weniger unter sich bleiben, wurden fast 700 Kunden der Arbeitsagentur und des Jobcenters zur Messe eingeladen. Aber auch ohne diese Anschreiben ist die Resonanz groß. "Ich hätte nicht gedacht, dass das derartig angenommen wird", sagt Katharina Kristen, Pressesprecherin der Arbeitsagentur.

Angela Möckl bleibt denn auch kaum Zeit für eine Pause. Fast ständig hat sie einen Gesprächspartner vor sich. "Es kommt immer jemand", sagt die Personalsachbearbeiterin bei der BOB. Das Publikum sei "total gemischt". Einheimische waren da, ebenso eine Besucherin aus Ungarn, dann ein Frau, die sich danach erkundigte, ob die BOB auch junge Leute aus Afghanistan nimmt, die eine Berufsausbildung suchen. Die Bahn selbst sucht vor allem Fahrgastbetreuer und Lokführer. Auch Servicetechniker und Servicemechaniker könnte sie gebrauchen, etwa für das Betriebswerk in Lenggries. Mitbringen müssten Bewerber vor allem eines, sagt Möckl: "Der Dienstleistungsgedanke muss da sein." Für einen Mann so um die 30 Jahre aus Reichersbeuern, der nicht namentlich genannt werden möchte, war es schon immer "ein Traum, Lokführer zu sein." Seit 16 Jahren arbeitet er auf dem Bau, nun sieht er sich nach etwas Anderem um. "Meine Knochen sind nicht mehr so", sagt er.

Dagegen hat Rudolf Henauer schon seit sechs Jahren keine Stelle mehr. Davor war der biologisch-technische Assistent bei der Firma Boehme in Geretsried tätig, wo er für Qualitätsmanagement zuständig war. "Ein super Job, das hat genau gepasst." Doch dann übernahm die amerikanische Dystar-Gruppe das Unternehmen, und Henauer wurde ein Opfer der Entlassungen. Zahlreiche Bewerbungen blieben ohne Erfolg, vielleicht auch deshalb, weil er schwerbehindert ist. Die Arbeitsagentur schickte ihn zu nicht weniger als zehn Bewerbungskursen, auch an einem Seminar in Buchhaltung nahm der 51-Jährige teil, obwohl das überhaupt nicht sein Metier ist. "Alle dort haben dann keinen Job gekriegt." Sein Antrag auf Erwerbslosenrente wurde abgelehnt, weswegen er vor das Sozialgericht zog. Ein medizinischer Gutachter beschied, dass er trotz seiner erheblichen Behinderungen zu einem achtstündigen Bürojob imstande sei. Nun sucht Henauer eine Teilzeitstelle. Am liebsten wäre ihm wieder eine Aufgabe im Qualitätsmanagement, "auf die Branche würde ich mich nicht festlegen".

Im Büro hat Simone Heilig nichts anzubieten. Da seien die wenigen Arbeitsplätze im Arabella Brauneck Hotel in Lenggries schon besetzt, sagt die für Personalwesen zuständige Hotelfachfrau. Sie sucht nach Auszubildenden im Hotelgewerbe, nach Kräften im Service und in der Küche. Doch sie hat wenig Glück. 90 Prozent der Gesprächspartner hätten schon eine Ausbildung, die meisten von ihnen befänden sich in fortgeschrittenem Alter, weshalb Bedienen und Küchenarbeit für sie kaum in Frage kämen, erzählt sie. "Ihnen kann ich wenig bieten." Trotzdem ist der Auftritt bei der Jobmesse für das Lenggrieser Hotel nicht vertane Zeit. So könne man wieder ins Gedächtnis rufen, "dass es uns gibt", meint Heilig. "Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber." Diesen Satz sagt auch die Bundeswehr über sich. Technische, kaufmännische, medizinische und handwerkliche Berufe biete man an, auch die Möglichkeit zu einem Studium, sagen die beiden Offiziere. "Vielen ist nicht bewusst, dass man auch um zivilen Bereich bei uns sein kann, das ist nicht zwingend mit dem Dienst an der Waffe verbunden."

Draußen auf dem Gang hat sich eine lange Schlange vor dem kleinen Sitzungssaal gebildet. Sie besteht aus Leuten, die ihre Bewerbungsmappen für einen Check mitgebracht haben. Andi Barnea ist mit seiner Frau gekommen und will ihre Unterlagen prüfen lassen. "Damit sie uns sagen, ob sie den Standards entsprechen, ob sie modern oder altmodisch sind", sagt er. Personaldienstleister schauten genau darauf, dabei stünden wichtige Fähigkeiten eines Bewerbers doch in den Informationen und "nicht in der Art und Weise, wie man ein Dokument formatiert". Für Jobcenter-Chef Andreas Baumann kommt es vor allem auf den Lebenslauf an. Ansonsten sei der persönliche Eindruck entscheidend, sagt er. Eben dies ist der Sinn dieser Messe. Gerade sei eine Frau bei ihm gewesen und habe erzählt, dass sie von einem Unternehmen zu einem Probetag eingeladen wurde, sagt Agentur-Teamleiter Krstevski. "Sie war total happy."

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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