Bad Tölz:Inklusion ist für die Lebenshilfe nicht alles

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Die Einrichtung sieht Geistigbehinderte benachteiligt

Inklusion um jeden Preis könne nicht die alleinige Antwort auf die Frage sein, wie Menschen mit verschiedensten Behinderungen in die Gesellschaft integriert werden können. Dieses Fazit zog Martin Lechner, Vorsitzender der Lebenshilfe Bad Tölz-Wolfratshausen, am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Denn so verschieden die Handicaps der Betroffenen seien, so differenziert müsse das Angebot an Teilhabe, Arbeit und Wohnen sein. Dazu gehöre es auch, dass Behinderte ein Recht hätten, geschützt zu werden, sagte Lechner. Umso mehr erschüttere ihn, dass "hinterrücks" gegen den Neubau der Von-Rothmund-Schule in Bad Tölz opponiert worden sei. Lechner erklärte, der Verein für die gemeinsame Erziehung von behinderten und nicht-behinderten Menschen habe bei der Regierung von Oberbayern und im Landratsamt versucht, das Projekt zu verhindern. Dass sie gegen den Schulneubau interveniert habe, weist die Sprecherin des Vereins, Elli Wilfling, indes auf SZ-Nachfrage zurück: "Es war nur eine berechtigte Anfrage, wie in Zeiten der Inklusion die Weichen so pro Förderschule gestellt werden können und den Regelschulen Ressourcen fehlten." Das sei für sie "keine Verhältnismäßigkeit der Mittel" mehr.

Nach Ansicht von Bernd Angermann, ebenfalls Lebenshilfe-Vorsitzender, kann die UN-Menschenrechtskonvention nur für körperlich Behinderte greifen. Geistigbehinderte an Regelschulen zu unterrichten sei Quatsch, sagt er. Angermann und Lechner sind sich einig, dass diese Inklusion weder den Behinderten noch den anderen Schülern oder den Lehrkräften gerecht werde. "Wie sollen Kinder mit Krampf- und Schreianfällen am normalen Unterreicht teilnehmen?", fragte Angermann. Es gebe "himmelweite Unterschiede", was die Handicaps angehe. "Da werden die Bedürfnisse der Behinderten komplett ignoriert." Die hohe Nachfrage an Plätzen in ihrer Schule belege, dass sich die Eltern dessen bewusst seien. Daher werde die Lebenshilfe weiter Sorge tragen, dass Behinderte in einem geschützten Raum leben.

Lechner (63) und Angermann (64) sind ehrenamtlich tätig und wollen dies auch weiterhin bleiben. Zumindest die nächsten zwei Jahre, so Lechner. In ihrer Amtszeit ist viel vorangegangen, mehrere Großvorhaben stehen an. So bietet die Lebenshilfe verschiedene Wohnformen an, je nach Grad der Behinderung. Es gibt Wohnheime mit vollstationärer Betreuung, aber auch ein neues Projekt in Geretsried, Am Stern. In Zusammenarbeit mit der Baugenossenschaft wurden dort eine Zwei-Zimmer- und drei Ein-Zimmer-Wohnungen mit einem Gemeinschaftsraum geschaffen. Betreut werden die Bewohner ambulant 28 Stunden in der Woche. Ebenfalls steht der Umzug der Bewohner in einem von der Lebenshilfe angemieteten Haus an der Arzbacher-Straße in Bad Tölz an. Der Verein hat eine Immobilie, Schützenstraße 10, erworben, der Umbau erfolgt voraussichtlich im kommenden Winter. Damit befinden sich alle Häuser und Liegenschaften, die von Behinderten bewohnt werden, in Besitz der Lebenshilfe.

© SZ vom 04.07.2015 / veca - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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