Bad Tölz:Hocker, Holzbord und ein Ranzen

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Das Spiel "Rotado" ist einer der sieben Entwürfe, die Design-Studenten der TU München in der Tölzer Südschule präsentierten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Design-Studenten der TU München stellen Entwürfe für modernes Mobiliar, Spiele und Lehrmaterial an der Tölzer Südschule vor. An dem Projekt beteiligten sie ein Semester lang Kinder und Eltern.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Antonia Bocksberger zieht ihre Freundin mit, die sich bei ihr am Arm eingehängt hat. "Komm, Laura, wir spielen das jetzt", sagt die Neuntklässlerin von der Tölzer Südschule. Die beiden Mädchen stehen in der Aula an einem kleinen Tisch, auf dem das Spiel "Rotado" liegt. Das erinnert ein wenig an ein Roulette: Auf einer drehbaren Holzscheibe liegen vier Tafeln, die man auf der Vorder- und der Rückseite mit Kreide beschriften kann. Darauf schreiben deutsche Schüler und Kinder aus Migrantenfamilien, die zum Beispiel noch in eine Übergangsklasse gehen, eine Aufgabe in ihrer Muttersprache, die von den Mitspielern gelöst werden muss. Dann wird der Teller gedreht. Wer an der Reihe ist und die Sprache nicht versteht, muss mit dem Schüler reden, der die Aufgabe notiert hat und nun das Ganze ins Deutsche übersetzen soll. So entstehe Kommunikation, kultureller Austausch und auch gegenseitiger Respekt, sagt Ailar Saneifar. Zusammen mit zwei Kommilitonen hat die Design-Studentin der TU München das Spiel entworfen. "Das ist gut, es macht Spaß und ist abwechslungsreich", lobt Antonia.

"Rotado" gehört zu sieben Entwürfen, die 21 Studenten vom Lehrstuhl für Industrial Design der TU für das Projekt "Schule designen" an der Tölzer Südschule entworfen haben. Die Idee dazu hatte der Vorsitzende des Elternbeirats, Sven-Anwar Bibi. Der Hintergrund: Die Stadt Bad Tölz investiert gerade viel Geld in die Grund- und Mittelschule, für 3,75 Millionen Euro entsteht eine neue Turnhalle, die nahezu fertiggestellt ist, zudem wurden heuer neue Toiletten eingebaut. "Wir befinden uns in einem Raum der Veränderungen", sagt Konrektor Michael Basel. Deshalb habe sich die Frage gestellt, "wie kann man die Schule noch moderner, noch interessanter gestalten".

Von Anfang an war klar, dass Eltern und vor allem die Kinder in das Design-Projekt eingebunden werden. "Ihr, die ihr hier in die Schule geht, seid die eigentlichen Experten für das Schulleben, und nicht die, die in Ministerien über Schule nachdenken", sagt Ralph Boch von der Hans-Sauer-Stiftung, die das Projekt finanziell und organisatorisch unterstützte, zu den Kindern und Jugendlichen, die zu der Präsentation am Freitag die Stufen der Aula bevölkern. Das entspricht auch dem Wandel, in dem sich die Design-Branche nach dem Dafürhalten von Professor Fritz Frenkler befindet. Der Inhaber des Lehrstuhl für Industrial Design betont, dass es nicht mehr darum gehe, immer nur neue Produktlinien am Reißbrett für Autos oder Telefone zu schaffen. Wichtig sei künftig, möglichst viele Nutzer zu beteiligen. "Design muss den Menschen dienen, nicht umgekehrt", sagt Professor Frenkler. Die Studenten der TU verbrachten deshalb viel Zeit mit Recherche. Sie interviewten Schüler und Eltern, versendeten Fragebögen, schickten E-Mails. Ursprünglich habe man gedacht, "wir schaffen das in einer Woche, aber es hat sich herausgestellt, dass wir das ganze Semester damit verbringen", sagt Dozent Moritz Segers. In der Südschule sei man "auf sehr viel Motivation, sehr viel Bereitschaft mitzumachen gestoßen".

Nicht alle Ideen wurden umgesetzt. Einen Entwurf für ein Netzwerk zum Thema Ausbildung zwischen der Schule und Firmen in Bad Tölz und Umgebung mussten die Studierenden fallen lassen, weil es ein solches Netzwerk schon gibt. Dafür können die Schüler am Freitag multifunktionale Holzhocker besichtigen, die sich besonders für Gruppenarbeit eignen, einen Kochwagen mit Kisten für Küchengeräte und einem Kartenset für Rezepte, Info-Tafeln für eine bewusste Ernährung in der Pause, eine neue Form der Präsentation von Unterrichtsergebnissen oder auch das "südbook" - eine kleines Holzbord, das man x-mal beschreiben und wieder abwischen kann, anstatt eine Menge Papier zu verbrauchen. Albrecht Freya führt im Konferenzraum eine Art Schulranzen für den Unterricht in der Natur vor, der aus einem Sitzkissen, einem Sammelkorb und einer rollenförmigen Umhängetasche besteht. Ziel sei es, damit den Unterricht aus dem grauen Schulalltag ins Freie zu bringen, sagte der Student. Die Kinder müssten so nicht ihre schweren Schulranzen mitschleppen. Neben der Tasche und einem Legespiel besteht sein Entwurf "Cue" auch noch aus einer Webseite, die Lehrkräfte über Exkursionsziele informiert oder ihnen etwa zeigt, wo sie eine Schatzsuche veranstalten und dies mit Englisch und Geografie verknüpfen können. Zudem können die Lehrer auf dieser Homepage ihre Erfahrungen und Tipps austauschen. Das sei eine Art Rezeptbuch, "wie Unterricht im Freien stattfinden kann", sagt Freya. "Schnell, einfach, mit ein bisschen Spaß und Erlebnis." Die Jungs aus der Grundschule, die den Studenten umringen, interessieren sich aber vor allem für den Rucksack. Wo man den kaufen könne, will einer wissen. Aber da muss er sich noch gedulden. "Das ist jetzt erst einmal ein Prototyp für die Südschule", sagt eine Studentin.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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