Bad Tölz:Gut eingestimmt

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Orgel-Professor Alexander Fiseisky von der Moskauer Gnessin-Akademie hat acht Meisterstudenten mit nach Tölz gebracht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Meisterstudenten aus Moskau gestalten Orgel-Matinee in Bad Tölz

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Nun sind sie also da. Seit Wochen kannte der "Verein der Freunde und Förderer der Orgelmusik im Tölzer Oberland" nur noch die Parole "Die Russen kommen", denn Orgel-Professor Alexander Fiseisky von der Moskauer Gnessin-Akademie hatte sich mit acht seiner Meisterstudenten angesagt. Mit bewundernswertem Engagement hat der Verein die Reise organisiert, für Unterkunft und Verpflegung gesorgt und ein ehrgeiziges Programm auf die Beine gestellt. Nicht nur in Bad Tölz halten sich die angehenden Organisten auf, sondern weit ins Umland, bis nach Regensburg und nach Tirol, werden sie fahren, um verschiedene Orgeln kennenzulernen und auch auszuprobieren.

Am Sonntag gaben Fiseisky und seine Schüler - sechs Frauen und zwei Männer - eine Matinee in der Tölzer Stadtpfarrkirche. Die Studenten sind unterschiedlich weit fortgeschritten in ihrer Ausbildung, doch dies machte sich nur in der Auswahl der Werke bemerkbar. Das Programm erstreckte sich vom frühbarocken Meister Andrea Cavalieri bis zu russischen oder baltischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, und jeder der angehenden Organisten hatte sich ein Werk ausgesucht, das er nicht nur sicher "drauf" hatte, sondern auch überzeugend gestalten konnte.

Die Orgel hat in Russland keine weit zurückreichende Tradition, weil die orthodoxe Kirche nur Vokalmusik kennt. Dementsprechend gering ist die Anzahl der Musikstudenten, die sich gerade für dieses Instrument entscheiden. Doch die wenigen zeigen dafür umso größere Begeisterung für die Orgel und alles, was damit zusammenhängt. Einer der angehenden Organisten aus der Tölzer Truppe, Ignatiy Izotov, war zunächst Orgelbauer, bevor er sich entschloss, das Instrument auch selbst zu spielen. Und seine Kenntnisse in der Orgeltechnik hat er nicht verlernt: Am Vorabend des Konzerts brachte Izotov in der Stadtpfarrkirche die Zungenstimmung der Orgel auf Vordermann, so dass sich das Instrument bei der Matinee in hervorragendem Zustand präsentierte.

Die Musikausbildung in Russland ist dreistufig und beginnt an den Musikschulen, wo alle angehenden Organisten zunächst auf dem Klavier anfangen, bevor die Orgel hinzukommt. An der Gnessin-Musikakademie, wo Fiseisky unterrichtet, werden die beiden oberen Stufen angeboten, und die meisten Nachwuchs-Organisten studieren auch heute noch Klavier und Orgel parallel, nicht nur um sich mehrere Berufsoptionen offenzuhalten, sondern auch, um die Vielfalt der Musik in ihrer ganzen Breite kennenzulernen.

Auch wenn es in Russland kaum Kirchenorgeln gibt, so ist die Orgel als Konzertinstrument doch durchaus beliebt, und Orgelkonzerte sind regelmäßig gut besucht. Daher machen sich die Orgel-Studenten um ihre Zukunft keine Sorgen. Als Konzertorganisten oder als Orgel-Lehrer werden sie ihr Auskommen finden. 40 Musikschulen gibt es alleine in Moskau, und alle bieten Orgel-Unterricht an, manche auf elektronischen Instrumenten, doch die meisten auf eigenen Pfeifenorgeln. Was nicht viele wissen: Aristide Cavaillé-Coll, der bedeutende französische Orgelbauer des 19. Jahrhunderts, hat seine letzte große Orgel für das Moskauer Konservatorium erbaut.

Man sieht: Auch Russland hat seine Orgel-Landschaft, und selbst ohne Kirchenorgeln bietet das Land durchaus Berufsmöglichkeiten für Organisten. Die acht Studenten von Fiseisky dürfen optimistisch in die Zukunft blicken.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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